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Kathmandu erwartet Jean Passepartout mit klimatisch optimalen Bedingungen. Mit knapp 30 Grad und sehr niedriger Luftfeuchtigkeit ist es hier noch etwas angenehmer als in der Ganges Tiefebene, die ich soeben verlassen habe – mit Konsens von Phileas Fogg, der sich nach Kalkutta durchkämpfen muss, um dort rechtzeitig das nächste „Steamboat“ zu erreichen, das ihn über die chinesische See nach Norden führen wird.

Der Verkehr, der mich bei Verlassen des Flughafens umfängt, scheint sich etwas weniger intensiv durch die Millionenstadt zu wälzen, als ich von den indischen Städten gewohnt war, für deutsche Verhältnisse aber immer noch von einem anderen Stern. Die Herberge, die für die nächsten drei Tage meine Unterkunft sein wird, liegt etwas außerhalb der Stadt und ist die bisher schönste Bleibe, in der ich auf meiner Weltenbummlerei verweilen darf.

Etwa 30 Millionen Menschen leben in Nepal auf einem Gebiet, etwa doppelt so groß wie unser süddeutsche Freistaat. Die Anfänge von Nepal sind nicht sehr gut erforscht, ein Teil des Landes soll aber bereits seit prähistorischen Zeiten besiedelt gewesen sein. Die Nachfahren dieser ersten Siedler werden heute Janijati genannt und haben einen Anteil von knapp 40 % an der Bevölkerung. Es gibt dann noch die Ra, Sherpa, Tarnang, Gurkung und viele andere mehr. Mehr als 100 verschiedene ethnische Gruppen sind in Nepal beheimatet. Seit dem 16.Jahrhundert wurde Nepal, mit einer Unterbrechung von 100 Jahren, von der Shah Dynastie regiert, bis im Mai 2008 auch sie ein Ende fand. Der jahrelange Bürgerkrieg aus dem die Maoisten schließlich als Sieger hervorgingen, hat das wirtschaftlich zu den ärmsten Ländern der Welt gehörende Land weiter geschwächt. Lassen wir die negativen Kennzahlen zurück, widmen wir uns Land und Leute.

Das erste Ziel der kulturellen Entdeckungstour ist die Swayambhutnath Stupa. Stupa ist der Name für das Gebetshaus der Buddhisten, die trotz der tibetischen Nachbarn, nur knapp 5 % Bevölkerungsanteil haben, Tendenz steigend, aber immer noch weit weniger als die Hindus, die es in Nepal auf einen Anteil von 80 % bringen. Die Stupa liegt auf einem Hügel, von wo aus Buddha, dessen Augen in den Stein des Bauwerks eingelassen sind, die Stadt überblicken kann. In den 5 Farben der Elemente Luft, Wasser, Erde, Feuer (das sind die uns bekannten) und Raum gehalten, wehen überall buddhistische Gebetsfahnen. Es geht weiter zum Durbar Square, dem Hauptplatz im Zentrum Kathmandus. Farbenfrohes Getümmel! Die Hindus feiern Diwali, das Fest der Lichter, das von der Bedeutung vergleichbar mit unserem Weihnachtsfest ist. Rund um den ehemaligen Königspalast bieten die Nepali ihre Waren für das Fest an. Hanuman Dhoka, so heißt der Palast, war bis 1908 noch Residenz der Könige. Das Gebäude wurde über Jahrhunderte mit den unterschiedlichsten architektonischen Ausprägungen weiterentwickelt, sodass das Prädikat eines Flickenteppichpalaste durchaus angemessen erscheint. Hanuman ist der Gott der Affen, der im Ramayana Epos Rama, dem Königssohn, der durch eine Intrige der bösen Stiefmutter in die Verbannung gehen musste, hilft seine geliebte Sita dem Dämon, der sie gefangen hält, zu entreißen. Sita und Rama kehren an den Königshof zurück, wo Rama seinen rechtmäßigen Thron besteigen kann. Das Ramayana Epos ist etwa zu Christi Geburt in Sanscrit geschrieben und in ganz Südostasien in immer wieder leicht abgeänderter Form verbreitet. Gut besiegt Böse und „Et hätt noch immer jot jejange“. Grimms Märchen lassen grüßen. Unweit des Palastes lebt die Kumari. Sie ist die lebende Schutzgöttin der nepalesischen Hindus im Kathmandu Tal und ist immer jung an Jahren, weil sie „rein“ sein muss. Sie verliert Ihre Reinheit nach der ersten Menstruation. Eine andere Kumari nimmt dann  ihren Platz ein.


Frühes Aufstehen am nächsten Morgen, denn heute fliege ich zum Dach der Welt. Wir sind alle in der bangen Erwartung, ob das Wetter, das bisher keine Kapriolen schlug, uns weiterhin mit wolkenarmem Firmament segnen wird. Wir heben ab und fliegen nach Nordosten. Unter uns bleibt der orangebraune Teppich, der auch eine Millionenstadt in Nepal einhüllen kann, langsam zurück. Wir gewinnen an Höhe, und lassen die letzten Wolkenschichten zurück. Die Steinmassive des höchsten Gebirgszuges der Welt sind klar erkennbar. Hinter mir sitzt eine ältere Dame, in der Nebenreihe ihr Sohn, der schon einmal mit diesem Flug unterwegs war und der seine Mutter, die ohnehin schon von dem Ereignis beeindruckt ist, durch seine euphorischen Gefühlswallungen überreizt, wenn das für die, von mir wahrgenommenen Situation der richtige Ausdruck ist. Die emotionalen Ausbrüche der Dame lassen mich jedenfalls keine andere Form der verbalen Umschreibung finden.Wir steigen weiter und fliegen vorbei am Gauri Shankar (7134 m) und Nuptse (7856 m). Der Blick reicht weit nach Westen, irgendwo dort am Khaiberpass, an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan nimmt der höchste Gebirgszug unserer Erde seinen Anfang, um dann über 3000 km mit 14 Berggipfeln die über 8000 m liegen bis nach Myanmar zu reichen. Über 100 weitere Gipfel ragen bis in eine Höhe von über 7000 m. Wenn man bedenkt, das der höchste Gipfel außerhalb von Asien der Aconcagua in Argentinien mit 6962 m ist, so kann man vielleicht erahnen mit welchen Dimensionen wir hier konfrontiert sind. Wir fliegen am schneebedeckten Lhotse (8516 m) vorbei um schließlich den „Hund“ zu erreichen den Edmund Hilary und Tensing Norgay 1953 „erlegt“ haben, den Sagarmatha wie er auf Nepali, Chomolungma auf Tibetisch, oder uns geläufig Mount Everest heißt und mit 8848 m der höchste Berg der Erde ist. Wir dürfen alle zu den Piloten in die Flugkanzel (gemeinhin Cockpit genannt), wobei Jean Passepartout das Glück widerfährt kurz vor dem Wendemanöver einige Ablichtungen der Nordseite des Everest  auf Platte zu bannen (Daguerre wäre begeistert). Dieses wunderbare Erlebnis, der Anblick dieses Riesen aus Stein und Eis kann aber den Blick auf einige Schattenseiten nicht verstellen – öde Steinwüsten die ehemals von Gletschern bedeckt waren. Wer immer noch nicht an eine Veränderung unseres Klimas glaubt, dem wird diese hier sehr real vor Augen geführt, in Ausmaßen die das, was wir aus den Alpen kennen, weit übersteigt. Gegen 8:30 Uhr landen wir wieder in Kathmandu, das Ende eines wundervollen Erlebnisses. Viel Spaß beim Betrachten der Bilder!

Die anschließende Besichtigung der Boudnath Stupa und des Pashupatinath Tempel`s gerät etwas in den Hintergrund, wegen der noch anhaltenden Eindrücke dieses Fluges. Freizeit am Nachmittag und am nächsten Tag, die man auch braucht um alle Eindrücke zu verarbeiten.


Am Abend folge ich der Einladung von Sikher Prasai, dem Inhaber der lokalen Reiseagentur, und seiner Frau zum Essen. Eine wirklich sehr nette Geste. Wir treffen uns im Dwarika, einem Heritage Hotel in der Altstadt von Kathmandu, bei dessen Betreten man sich in die englische Kolonialzeit zurückversetzt fühlt. Wir werden in den Speisesaal geführt, wo wir Platz nehmen können. Wer „Platz nehmen“ mit dem bequemen Niedersitzen auf wohlgepolsterten Sitzgelegenheiten an einem Tisch der auf die richtige Höhe justiert ist, assoziiert und zum komfortablen Einnehmen von Speis und Trank die Hilfsmitteln der aufgeklärten Gesellschaft, nämlich Gabel, Messer und gegebenenfalls Löffel erwartet, der sieht sich getäuscht. Die Entledigung meines Schuhwerks ist mir ja schon durch die Tempelbesichtigungen, in Fleisch, Blut und Hornhautbildung übergegangen. Das Herablassen der gesamten Gestalt in eine Sitzposition mit verschränkten Beinen, die unter eine Erhebung eines Holzbauwerks, dem ich das Prädikat Tisch verweigere, versenkt werden, erfordert schon einige Übung. Das diese sportliche Übung nicht zu meinem Aufbauprogramm für diese Reise gehörte, wurde von meinen Gastgebern mit einer freundlichen Veränderung der Gesichtsmuskulatur zur Kenntnis genommen. Den Gedanken wie ich mich später aus dieser Fakirhaltung lösen soll, hatte ich verdrängt. Ich wollte mir den kulinarischen Genuss eines typischen nepalischen Essens nicht verderben. Vor dem Beginn eines Mahles wünscht man sich in unseren Breiten gelegentlich „Guten Appetit“. In Nepal eröffnet man die Speisenfolge mit „Krishnarpan“ einer Opferung von Teilen der Vorspeisen  – es wurde Samaya Bajee gereicht – was ich auch ordnungsgemäß befolgte um Shiva, dem dieses Opfer galt, in seiner gelegentlich zerstörerischen Attitüde zu besänftigen. Er schien zufrieden gestellt, wir konnten unser Diner genießen. Es folgte „Chatamari Khayula“ Crepes mit Huhn und  „Tarkari Ko Jhol“ Gemüsesuppe, beides gut mit den Fingern zu essen, bzw. aus der Tasse zu schlürfen. Dann wurde das Thali, jenes metallene Tablett, das mir schon aus Delhi bekannt ist, mit den Hauptgerichten aufgetragen. Reis, unterschiedliche Gemüse, darunter die von mir so geliebten Linsen (ein Gruß an die Heimat – Ulli, Du hast Konkurrenz bekommen), und verschiedene Fleischsorten. Nun wehrt sich der mitteleuropäische Finger dagegen, direkt mit den zu verzehrenden Köstlichkeiten in Kontakt zu kommen. Mir ist nicht bekannt, ob diese Abneigung das Ergebnis des jeweiligen Erziehungsprozesses oder bereits Teil unserer Gene ist, jedenfalls kostete es mich einige Überwindung und Zeit bis ich aus Reis, Gemüse und Fleisch einen Kloß geformt hatte, wobei ich Gedanken an das Backe-Backe Kuchen Spiel aus Sandkastenzeiten nicht verdrängen konnte. Da dieser Kloß aber keine stabile Außenhaut hat, ist mit seiner Gestaltung allein „der Drops noch nicht gelutscht“, er muss auch noch in den Schlund. Die Annäherung war durchaus erfolgreich aber in der entscheidende Sekunde des Übergangs in das aufnehmende Organ passierte es – mein Kunstwerk zerbröselte und verteilte sich auf Antlitz, Moustache und dem Poloshirt eines französischen Markenherstellers. Das Entsetzen, das Jean Passepartout ergriff kann sich jeder ausmalen – was wird wohl sein großer Landsmann und Bobbelchen Vorgänger denken?  Catastrophe! Den weiteren Prozess der Nahrungsaufnahme habe ich dann pragmatisch auf eine Art Schaufelbewegung umgestellt, was schließlich auch sein Ziel erreichte. Das Essen war geschmacklich hervorragend abgestimmt und wurde von Ghorka Bier und Reiswein begleitet. Nach Tiger und Kingfischer, sind nun Everest und eben Ghorka die lokalen Biere. Es war ein sehr schöner Abend in reizender Gesellschaft, an den ich mich sehr gerne erinnern werde.


Ich beende jetzt meinen Bericht, nicht ohne Burkhard zu danken, der mir nahe legte Nepal in meinen Reiseplan aufzunehmen.

Kathmandu ist, insbesondere im Oktober, traumhaft. Es geht jetzt weiter über Delhi und Bangkok nach Brunei, zu den Waldmenschen. A Bientot.

 

 

 

Jean Passepartout         

 

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