Die Weltreise
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Borneo
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„If You haven`t seen this place, you haven`t seen the world“ sind die Worte des englischen Dichters Somerset Maugham, den seine Reisen durch Asien in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts auch nach Borneo, der drittgrößten Insel der Welt, führten.
Borneo war damals zweigeteilt, der östliche Teil des Landes, das heute zu Indonesien gehörende Kalimantan, war von Holland okkupiert, der Westen mit den heutigen malaysischen Bundesstaaten Sarawak und Sabah sowie dem Sultanat Brunei befanden sich unter englischer Kontrolle. Die politische Neuordnung des südostasiatischen Kontinents nach 1945 spiegelt die Kolonialpolitik der europäischen Staaten und das Ergebnis des zweiten Weltkriegs wider. England war zwar Kriegsgewinner, aber nach dem 2.Weltkrieg bankrott. Man klammerte sich deshalb an die rohstoffreichen Kolonien in Asien, dazu gehörte auch Malaya mit seinen Zinn- und Kautschukreserven. Malaya wurde erst 1957 in die Unabhängigkeit entlassen, allerdings ohne Singapur und die Borneostaaten, mit einer Verfassung in der Malaiisch als Staatssprache und der Islam als Staatsreligion verankert sind und die den Malaien eine Reihe von Sonderrechten einräumt. 1963 traten Singapur, Sabah und Sarawak dem Staatenbund bei. Malaysia war ins Leben gerufen. Das überwiegend mit Chinesen bevölkerte Singapur konnte sich nicht lange mit den Sonderrechten der Malaien abfinden, und erklärte 1966 seine Unabhängigkeit.

Passepartout betritt am 23.Oktober 2009 die Insel Borneo genauer gesagt den islamischen Staat Brunei, wo ihn nicht nur die schon vertrauten 30 Grad empfangen, sondern auch eine bisher nicht gekannte Luftfeuchtigkeit von über 80 %. Dies sind ganzjährig die klimatischen Verhältnisse auf der Dschungel Insel, die sich nur während der Regenzeit ein wenig verändern. Die ankommenden Passagiere werden mit den schon bekannten Wärmebildkameras observiert, um stark erhöhte Temperaturen  zu erkennen und die H1N1 Verdächtigen direkt aus dem Verkehr ziehen zu können. Die Passkontrolle wurde zügig abgewickelt, die Gepäckstücke drehten auch schon ihre monotone Runde auf dem Beförderungsband, um von dort den Weg zur Durchleuchtungskammer zu finden, der Ort der alles Verborgene ans Tageslicht bringt. Plötzlich der schrille Ton einer Sirene, der von dem flammenden Rot einer Warnlampe begleitet wird. Wir zucken zusammen, die Passagiere, ich selbst und natürlich auch die Beförderungsstücke, die bisher so zuverlässig meine Habseligkeiten an diesen fernen Platz begleitet haben. Es hat uns tatsächlich erwischt!
Während ich mit rüdem Ton zu dem, mit blinkender Uniform ausgestatteten Vertreter der bruneiischen Ordnungsmacht gerufen werde, zucken mir Unheil schwanende Gedanken durch den Kopf. Ob ich denn Alkohol befördere, lautete der mit zackigem Angelsächsisch formulierte Interrogativsatz. „Ehrlich währt am längsten“ dachte ich mir und schleuderte ein ebenso zackiges „Yes“ zurück, ohne den „Sir“ hinzuzufügen, zuviel Unterwürfigkeit kann auch schädlich sein. Ich wurde gebeten mein silbergraues Polycarbonat Edelobjekt vom Band zu nehmen und es vor einer Beamtin zu öffnen. Zielsicher griff sie zu, an der Notfallapotheke und dem Wäschesack vorbei und hielt das Objekt, das den Stein des Anstoßes bildete, mit einem siegreichen Lächeln, das einige den Reichtum meines neuen Gastlandes schon vermuten lassende goldene Zahnkronen erblitzen ließen, in die Luft. „Elkoholl“ (oder so ähnlich) hauchte sie mir entgegen, wobei dieser Hauch natürlich völlig frei von höherprozentigen Rückständen war. Ja, ohne Zweifel, dies war eine geöffnete Flasche Jonny Walker Black Label, die ich in Ermanglung der von mir bevorzugten Fruchtschnäpse, auf dem Weg nach Kathmandu im Duty Free Shop von Delhi gegen harte – na, ja vielleicht auch nicht mehr ganz so harte - „Greenbacks“ erworben habe.
„Aber die Menge bewegt sich doch im Rahmen des Erlaubtem“, entgegnete ich mit höflicher Bestimmtheit. „Sign“ herrschte sie mich an, indem sie mir einen in der Mitte vorperforierten gelben Zettel vor die Nase hielt. „Sign....please“. Na bitte! Geht doch.
Ich unterschrieb beide Seiten der Einfuhrbestätigung, und erhielt den einen von der Beamtin unterschriebenen Teil, mit dem bestätigt wird, dass ich den Alkohol in der Abgeschiedenheit meiner Hotelkemenate zu mir nehmen durfte, zurück. Ich beginne zu verstehen was anonyme Alkoholiker sind. Seit 1991 steht Brunei unter Alkoholverbot, was nur dazu geführt hat den kleinen Grenzverkehr mit Sarawak zu fördern. „Es gibt kein Bier auf Brunei“.

Der erste Tag führt mich in den Ulu Temburong National Park und zwar fast ausschließlich über Wasser, zuerst mit einem Speedboat, anschließend dann mit einem einheimischen Langboot das genauso aussieht wie es heißt, ein langes, dafür aber auch schmales Boot, das Fortbewegungsmittel der Einheimischen. Die Fahrt auf dem Wasser in den Park beginnt den ganzen exotischen Zauber dieser Insel zu enthüllen. Mangrovenwälder, die mit ihrem dünnen Wurzelwerk, das an Spinnenbeine erinnert im Morast der Uferböschung verankert sind und ein fast undurchdringliches Bollwerk zum Hinterland bilden. Manchmal, wenn der Wasserstand niedrig ist, sind sie auch auf der Suche nach dem Grund, der ihnen und dem Baum, den sie mit Nahrung versorgen müssen, Halt gibt. Die Luft ist voll von unbekannten melodiösen Klängen, die aus dem 130 Millionen Jahre alten Primärwald, an mein Ohr dringen. Primärwald beschreibt dieses Naturereignis akkurater als das Wort Urwald, was volkstümlich für alles Verwendung findet, das nicht teutonisch sauber geordnet ist. Primärwald ist eine von Menschenhand noch nicht berührte Wildnis, in dem natürlich keine 130 Millionen Jahre alten Bäume stehen, sondern der bisher von jedem Holzschlag verschont war, keine Wiederaufforstung kennt, sondern sich im ewigen Kreislauf der Natur selbst reguliert. 80% von Brunei sind noch in diesem unberührten Zustand. Leider trifft dies nicht auf ganz Borneo zu. Hierzu später mehr.
Das Boot legt an einem Steg an. Hier ist die Landschaft nicht mehr naturbelassen, denn man baut ein kleines Urwaldcamp, um dem aufkommenden Tourismus in Brunei gerecht zu werden. Wir befinden uns jetzt auf dem Weg zum „Canopy Walk“, ein Spaziergang in den Gipfeln des Urwalds, wie er angepriesen wurde. Was für ein Hohn! Spaziergang?! Passepartout quält sich bei über 30 Grad warmem, schwülfeuchtem Wetter  200 Höhenmeter nach oben, um dann, an der Basis des „Canopy Walk“ ,ein Aluminium Gerüst, nochmals ca. 50 m zu erklimmen – und was sehe ich – Nichts! Jedenfalls keine Fauna, noch nicht mal einen Vogel. Und der Ausblick auf das ach so gepriesenen Blätterdach. Nun ja, die Sicht vom Sandplacken auf die sanfte Hügellandschaft des Taunus bietet mehr. Der Rückweg ist noch fordernder, über rutschigen Lehmboden taste ich mich von Wurzelwerk zu Wurzelwerk, hilfesuchend nach den Seilen greifend, die von den Architekten des Dschungelweges links und rechts angebracht wurden. Die Anzahl der, nur negatives Image verbreitenden, Todesopfer soll so in Grenzen gehalten werden. Dank dieser Meisterleistung der Ingenieurskunst, steht der „Death Toll“ zur Zeit bei Null. Astrid und Dirk haben mich gewarnt: „Canopy ist nicht ohne“. Fürwahr!

Brunei ist nur knapp 6000 qkm groß, aber das reichste Land Asiens. Es war einst ein viel größeres mächtiges Reich, das aber nach Ankunft der Engländer sukzessive bis auf die heutigen Grenzen reduziert wurde. Der Reichtum kommt vom Erdöl, von dem jeden Tag 200.000 „Barrels“ gefördert werden und zwar in Kooperation mit Shell. Der Reichtum wird vom herrschenden Sultan offensichtlich gut verwaltet. Es werden für Einheimische keine Steuern erhoben und die Gesundheitsversorgung ist für jeden kostenfrei, mit Ausnahme von 1 Brunei Dollar pro Behandlung, sei es nun für einen Schnupfen oder eine Herzoperation. Vom Benzinpreis ganz abgesehen.
Man kann den Reichtum aber auch an vielen Ecken der Stadt sehen, so in der Jame’Asr Hassanic Buckiah Moschee, in der ein Leuchter aus 3500 kg massiven Goldes den Gebetsraum schmückt. Die Moschee ist ein Geschenk des Sultans an seine Untertan, als er vor mehr als 40 Jahren den Thron bestieg.

Wenn man um die Welt reist, so stechen einem gelegentlich Kleinigkeiten ins Auge, die man dann käuflich erwirbt um sie in den Andenkenstand zu erheben. Nun habe ich mich nicht auf eine kurze Reise begeben. Deshalb ist gelegentlich ein Gang zur Post erforderlich, um das bisher Angesammelte in die Heimat zu befördern. Am Eingang zur Post wurde ich von einem, erneut adrett livrierten Offiziellen angehalten und zur Seite gebeten. Er trug einen Mundschutz und hielt ein offensichtlich technologisch hochwertiges Gerät in seinen, mit Plastikhandschuhen gegen Virenattaken, geschützten Hände. Das futuristische Objekt (ich vergewisserte mich das es keine Schlagbolzenwaffe war) näherte sich meinem Gesicht um dann geschwind in meinem Ohr zu versinken. Ich vernahm ein leises Brummen. Das Objekt verließ meinen Gehörgang und der freundlich lächelnde Beamte befestigte einen Sticker an meinem frisch gereinigtem Poloshirt. Nun durfte ich die Halle betreten. Ich war identifiziert. Immer noch H1N1 frei. Jubel!
Mit vorsichtigen Schritten näherte ich mich einem der vielen Schalter, die alle mit kopftuchtragenden und sehr dienstbeflissen hereinschauenden Damen, besetzt waren. Höchstens 20 % der Schalter war auch von Gästen besucht. 50 % der bruneiischen Bevölkerung sind Staatsangestellte, weitere 30 % arbeiten in der Öl- und Gasindustrie. Der Haushalt ermöglicht es eben. Ich möchte ein Päckchen nach Deutschland senden. Yes,yes sagte die Dame und winkte mit ihrer rechten Hand, was so viel wie „her mit dem Ding, aber ein bisschen plötzlich“ bedeutet. Als ob der Andrang der Menschenmassen eine unhöfliche, antreibende Aufforderung auslösen müsste!? Ich gab ihr mein kleines Paket. „Eighty“! Erstaunt fragte ich nach der Währung dieser „Eighty“! „Brunei“, „Eighty Brunei Dollars“, fragte ich unglaübig, denn 40 EURO erschienen mir doch etwas überzogen? „Yes, yes“, „2 Kilos 150“. Aha als 2150 Gramm. „But this is not much“ warf ich ein, in der Hoffnung auf etwas preisreduzierendes Mitleid. „Yes 350 more“. „two and a half Kilos for eigthy Brunei“, fragte ich nochmals. „Yes“ sagte sie „350 more“, worauf ich mein Päckchen nahm und mich von dannen machte. Einen offensichtlich saturierten bruneiischen Haushalt muss man nicht auch noch subventionieren.
Es ist der 27.Oktober 2009. Ich verlasse den islamischen Musterstaat und fliege nach Kuching, der Hauptstadt des flächenmäßig größten malaysischen Staates, Sarawag.  In Sarawak ist der Islam zwar durch seine großen Moscheen weithin sichtbar, aber anders als auf dem malaysischen Festland sind die Bürger von Sarawag im wesentlichen Christen, oder pflegen, wie die Urväter schon, aimistische Braüche in der die Natur im Mittelpunkt der Gottesverehrung steht. Sarawag und auch Sabah sind bis in den heutigen Tag hinein immer noch von den Urstämmen bewohnt, die ihre Riten und Gebräuche, wenn man von der Kopfjagd einmal absieht, weitestgehend beibehalten haben. Es gibt offiziell 60 verschiedene ethnische Gruppen in Sarawak und 32 in Sabah. Inoffiziell sind es noch viel mehr.
Kuching liegt etwas oberhalb des Äquators und hat knapp 600.000 Einwohner. Noch bevor wir zum Hotel fahren bringt Raman, mein Führer, mich zum Semonggok Wildlife Rehabilitation Center. Orang Utan, deren Erbgut zu 96,4 % mit dem menschlichen identisch ist, kommen nur noch auf Borneo und Sumatra vor. Ihr natürlicher Lebensraum, der Primärwald verschwindet durch die Abholzung der Tropenhölzer rapide. Außerdem wurden sie intensiv gejagt und von Familien als junge Haustiere gehalten. Spätestens im jugendlichen Alter werden sie dann, von den Familien in die Freiheit entlassen. Da sie jedoch das Klettern und Auffinden von Nahrung in der Gefangenschaft nie gelernt haben, sind sie dort dem Tode geweiht. Die malaysische Regierung hat nun verschiedene Reservate gegründet. Dort werden junge Menschenaffen, die allein im Dschungel gefunden, oder konfisziert werden, da sie illegal als Haustier gehalten wurden, auf ihre Auswilderung vorbereitet. Die Mitarbeiter übernehmen nicht nur die medizinische Betreuung der sehr sensiblen Primaten, sondern auch die Mutterrolle. Das Orang Utan Weibchen ist nur alle drei bis vier Jahre neun Monate lang trächtig und bringt in aller Regel nur ein Jungtier zur Welt.  Um dieses junge Wesen kümmert sie sich sehr liebevoll und intensiv, bis es alle Geheimnisse erlernt hat, um im Dschungel zu überleben. Das kann einige Jahre dauern. Auch im Rehabitation Center in Semonggok werden die Jungtiere teilweise jahrelang betreut und auf ihr weiteres Leben vorbereitet.
Zur Zeit leben hier 24 Orang Utan, von denen einige auch schon in die Freiheit entlassen wurden. Obwohl sich diese Tiere frei im Dschungel bewegen können kommen sie doch zu den Fütterungszeiten meistens ins Reservat zurück. Es ist ja auch viel einfacher das Essen angenehm serviert zu bekommen. Die Affen sind an Menschen gewöhnt, dennoch gilt es Vorsicht walten zu lassen. Es sind schon etliche Besucher gebissen worden. Der „Chef“ der Gruppe ist Ritchie, der mit seinen 29 Jahren im besten Mannesalter ist. Als er aus dem Dschungel gemächlich zum Freßplatz kam, begleitete ihn eine gewisse Aura von Ehrfurcht und Respekt. Die Besucher  gingen gehörig auf Abstand um dann das Schauspiel der Nahrungsaufnahme zu verfolgen, das vom Schmatzen des Primaten effektvoll untermalt wurde.
Am nächsten Tag war der Bako Nationalpark mein Ziel, das wir mit dem Auto und dem Boot erreichten. Heute führt mich Riman. Ihn als Hänfling zu bezeichnen wäre eine immer noch nicht akkurate Beschreibung seiner Erscheinung. Wenn er 45 Kilo auf die Waage bringt so ist das viel. Sehr viel mehr darf es auch nicht sein, denn Riman ist „Freeclimber“, der ohne Seil und Netz auch die steilsten Wände hoch klettert. Und nicht nur im Gebirge. Er berichtete mir von einem Ausflug nach Kuala Lumpur, für den er im Auftrag einer Zeitung unterwegs war, um dort eines der Hochhäuser, nicht die Petronas Tower, zu erklettern. Oben angekommen wurde er von der Polizei für eine Nacht festgesetzt, da er ohne Genehmigung geklettert war. Als schließlich seine Frau informiert wurde, die von dem Abenteuer nichts gewusst hatte und die eine Woche vor der errechneten Niederkunft mit ihrem ersten Kind war, war der Schock so groß, dass sie umgehend den Weg ins Krankenhaus antreten musste. In Europa benötigen wir in der Regel Unterstützung durch die pharmazeutische Industrie um eine Geburt einzuleiten, diese Naturvölker vertrauen meistens ihren eigenen Methoden.
Kurz nach der Ankunft im Bako Nationalpark die erste Sichtung – Langnasenaffen. Auch sie sind vom Aussterben bedroht und stehen deshalb unter strengem Naturschutz. Wir gehen tiefer in den Dschungel und treffen auf eine der 5 Schlangenarten, deren Gift auch für den Menschen tödlich sein kann. Wagler`s Pit Viper. Die Lanzenotter gehört neben Königskobra, indischer Kobra, Korallenotter und dem gestreiften Krait zu den gefährlichsten Reptilien Borneos. Auf unserem Spaziergang durch den Dschungel sehen wir eine große Anzahl unterschiedlicher Pflanzen und Bäume, so auch die wilde Durian, ein fruchttragendes Gewächs, deren Früchte von den Bauern gerne auf dem Markt angeboten werden.
„It tastes like heaven and smells like hell“. Dieses geflügelte Wort beschreibt treffsicher die Vor- und Nachteile der Frucht. Angenehmer süßer Geschmack und unerträglicher Fäkaliengeruch. Es gibt Verbotsschilder in den Verkehrsmittel wo nicht nur mit „No Litter“ das Hinterlassen von Abfall untersagt wird, sondern auch mit „No Durian“ das Mitführen dieser Frucht. Der Fäkaliengeruch ist nämlich kein flüchtiger Übergang, sondern ein nachhaltiger Gestank. Ein schöner erster Dschungelausflug.

Es geht früh am nächsten Morgen Richtung Lemanak Fluss zu den Iban – den bekanntesten Kopfjägern von Borneo. Ihr Dorf liegt im Landesinneren, in der Nähe der indonesischen Grenze, 225 km von Kuching entfernt. Die Hauptstrassen in Sarawak sind zwar gut ausgebaut, dennoch benötigten wir etwa 4 Stunden bis zu unserem Ziel, d.h. das Ende der befahrbaren Straßen. Dort wird auf das schon erwähnte Langboot umgestiegen. Der Lemanak ist jetzt ein kleiner Fluss mit niedrigem Wasserstand, der in der Regenzeit, insbesondere im Januar und Februar zum reißenden Strom wird. Das Wasser ist hellbraun gefärbt von der Erde die der Fluss in seinem Verlauf mitgenommen hat. Die Sünden die an der Umwelt des Landes verübt werden sind sichtbar. Innerhalb der letzten 30 Jahre wurde Sarawak zum größten Tropenholzexporteur der Welt. Seit 1984 sind 60 % des Regenwaldes zum Abholzen freigegeben. Jede Sekunde werden 140 qm des Primärwaldes, von dem bereits mehr als ein Drittel verloren ist, zerstört. Proteste der einheimischen Urstämme, im wesentlichen der Penan, verhallen ungehört. Es wird auch gezielt Tropenwald abgeholzt um Platz für Plantagen zu schaffen, die einen hohen ökonomischen Ertrag versprechen. Insbesondere Ölpalmen werden angepflanzt. Das gewonnene Palmöl wird weltweit in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie verarbeitet. In Deutschland wird Palmöl auch in der Verarbeitung zu Biodiesel eingesetzt. Nun haben wir den ökonomologischen Supergau erreicht. Tropenwälder werden abgeholzt um Platz für wirtschaftlich interessante Ölpalmenplantagen zu schaffen, deren Produkt in Deutschland in einem Treibstoff weiterverarbeitet wird, der unser ökologisches Gewissen beruhigt. Das Entwalden von Sarawak entzieht den Primaten aber auch anderen Tieren und den Menschen den Lebensraum. Die starken Regenfälle der Monsunzeit führen zur Erosion der jetzt ungeschützten Flächen. Die Flüsse sind zwar nicht von Blut gerötet aber von Muttererde gebraünt. Vielleicht etwas martialisch aber ich habe mich gerade in diese Stimmung geschrieben.

Nach einer halben Stunde Fahrt mit dem hölzernen Boot erreichen wir das Langhaus der Iban, in dem ich die nächste Nacht verbringen werde. Die Iban sind die größte Gemeinschaft der 60 Orang Ulu, wie die Volksgruppen in Sabah und Sarawak genannt werden. Die meisten waren Kopfjäger. Die Köpfe der Gegner wurden gesammelt, in einem feierlichen Ritual getrocknet und im „barok“ im Kopfhaus aufbewahrt hat, um die positiven Eigenschaften der Getöteten auf sich zu vereinigen, so wird vermutet. Die Kopfjagd wurde schon zu Zeiten der englischen Kolonialherrschaft verboten. Nun werden Verbote nicht immer ad hoc beachtet. So sollen die letzten erbeuteten Köpfe der Jäger japanischer Provenienz sind, die in Sabah und Sarawak, nachdem sie die Engländer 1941 aus Borneo vertrieben haben, ein Schreckensregime führten.

Ein Langhaus ist ein auf Pfählen errichtetes hölzernes Bauwerk, in dem mehrere Familien eines Klans wohnen. In dem Langhaus am Lemanak  wohnen 25 Familien. Jede Familie hat seinen eigenen Wohn- und Schlafbereich, deren Türen sich alle zu einem Gemeinschaftsraum öffnen. Dort trifft man sich nach des Tages Arbeit auf dem Feld. Der Chef des Langhauses, der Dorfälteste, ist der tuai rumah, der die Gemeinschaft führt und der in Streitfällen, die nicht zu schlichten sind, auch die Rechtsprechung, und zwar nach Gewohnheitsrecht der Iban, inne hat. Sein Vertreter ist der Schamane, der Medizinmann, der mandang,  der den Kontakt zu der Welt der Geister hat. Die Iban sind Christen aber pflegen wie fast alle anderen Orang Ulu animistische Bräuche. Kriegstänze stehen auf dem Programm. Der tuai rumah , der nach eigener Aussage 97 Jahre alt sein soll ist der Vortänzer. So wie er das Tanzbein über die Matten aus Kokosfasern schwingt mag man ihm sein Alter kaum glauben. Andere Iban kommen hinzu und stimmen in den Gesang ein. Alle sind bunt geschmückt in ihren traditionellen Kostümen. Wie üblich müssen die Besucher auch ihr Talent, oder das fehlende, der Gemeinschaft präsentieren, auch Passepartout entgeht seinem Schicksal nicht. Der Versuch die rhythmisch  koordinierten Bewegungen der Leidensgenossen aus China, Holland und Australien zu imitieren endet in einem peinlichen Gestolper. Nun ja, guten Willen gezeigt. Im Anschluss werden die mitgebrachten Geschenke verteilt, als Dankeschön für die Erlaubnis die Schlafräume der Ibans in Anspruch zu nehmen. Raman hat mich hierauf vorbereitet und ich habe auf seinen Rat hin Salz und Kaffee gekauft und zwar für jede Familie. Die Iban sind weitestgehend autark, aber Salz und Kaffee können sie ihrem Lebensraum nicht abringen. Die Nacht mit zwanzig anderen fremden Personen im gleichen Schlafraum, in einer separaten Koje auf einer Matratze, die schnell mit einem sauberen Betttuch bedeckt wurde, um die kritischen Blicke von dem Zustand dieses Objektes abzulenken, mit sanitären Anlagen, die dem Synonym von Hygiene nicht gerecht werden, ein Erlebnis der besonderen Art, das Passepartouts Leidensfähigkeit in einem gewissem Umfang strapazierte. Der positive Eindruck bleibt dennoch. Das Erleben dieser anderen Kultur und insbesondere die Zugewandtheit und Liebenswürdigkeit aller Menschen auf dieser Insel, die ich kennenlernen durfte sucht ihresgleichen. Die asiatische Höflichkeit und Freundlichkeit ist ja schon sprichwörtlich, aber in diesem noch relativ naturbelassenem Land merkt man wie das Herz mitschwingt in aller Spontaneität und Ehrlichkeit und das nicht nur bei den Iban sondern überall. Raman und Passepartout kehren am nächsten Tag nach Kuching zurück, wo übrigens das Angebot an Fisch mit bestem Preisleistungsverhältnis seinesgleichen sucht, um dann nach Mulu in den Nationalpark zu fliegen.

Die Flugzeuge und die Flugplätze werden kleiner, die Abfertigung immer einfacher. Man merkt übrigens in jedem Land an den formalisierten Einreisebestimmungen mit welchen „klimatischen“ Bedingungen man konfrontiert wird. Eines der größten Höhlensysteme der Welt findet man hier und klare Flüsse. Kein „logging“ wie das Abholzen genannt wird, im Nationalpark. Nun bin ich kein ausgewiesener Höhlenforscher. In welche Richtung Stalaktiten und Stalakmiten wachsen durfte sich Passepartout aber schon früh einprägen. Stalaktiten wachsen von der Decke, nach dem französischen „tomber“ und Stalakmiten steigen in die Höhe, nach dem französischen „monter. Andere Länder, andere Sitten -  zwei amerikanische Besucherinnen der Höhlen haben eine andere Eselsbrücke gefunden, die sich auf die weiblichen erotischen Primärmerkmale stützt. Übrigens ein schönes Urwald Resort mit angenehmen Komfort, sogar mit Swimmingpool. Die tropischen Regenschauer, die bisher nur wenige Minuten des Tages Abkühlung brachten, intensivieren sich. Die Regenzeit ist längst überfällig. Weiter nach Sabah, dem „Land unter dem Wind“ zuerst in die Hauptstadt Kota Kinabalu. Seefahrer schätzten die Lage abseits des normalen Verlaufs der Taifune, die nur die Philippinen und die nördlich und nordwestlich gelegenen Regionen von Asien treffen, wie uns erst kürzlich wieder vor Augen geführt wurde. Unweit von KK wie die Hauptstadt gemeinhin genannt wird, befindet sich der Kinabalu National Park, mit dem höchsten Berg Südostasiens, dem Mount Kinabalu, der 4101m misst. Bei der Fahrt in den National Park und des Besuches des Botanischen Gartens wird mir bewusst wie wenig bunte Blütenpracht vorhanden ist. Die überwiegende Farbe Grün der Bäume scheint alle anderen leuchtenden Farben zu ersticken. Wir hatten das Glück eine Rafflesia, die Pflanze mit der größten Blüte der Erde, zu entdecken. Nun, wir haben sie nicht entdeckt, sondern wurden von Einheimischen, gegen Ringits (die lokale Währung) zu dem Platz geführt. Dennoch muss sie in der Fotogalerie vertreten sein.

Es ist der 7. November 2009. Ich fliege nach Sandakan im Norden von Sabah. Ein weiteres Rehabilitation Center für Orang Utan steht bald nach Ankunft auf dem Programm, das insgesamt einen professionelleren Eindruck vermittelt als Ritchies Gehege in Sarawak, jedenfalls werden die Ziele und Methoden eindrücklicher vermittelt. Ich bin weiter unterwegs zur ersten „Jungle Lodge“ die am Kinabatangan Fluss, dem größten Fluss Sabak`s liegt. Die Lodge ist, neben dem Langhaus der Iban das ursprünglichste was ich bisher auf Borneo gesehen habe. Keine Klimaanlage, kein Fernseher, dafür umrundet von saftigem Grün und einer Geräuschkulisse, die nur vermuten lassen kann welches Tierorchester hier seinen Einsatz probt. Die Safaris erfolgen über das Wasser und geben, insbesondere in den Seitenarmen reichlich Gelegenheit die Tierwelt zu genießen. Nashornvögel, in der Wildnis lebende Orang Utan, Langnasen- und andere Affenarten, Python und andere Reptilien, viele Vogelarten, darunter Storch und Seeadler. Die Regenzeit steht unmittelbar bevor, nachts und auch in den Nachmittagsstunden nehmen die Regenfälle an Intensität zu. Ich war weiter flussaufwärts in einer Lodge im gleichen Stil und bin dann über Land in den Tabin Nationalpark gefahren, die Tierbesichtigungen mussten aber immer häufiger wegen des Regens eingeschränkt werden. Es war schon ein weiser Entschluss Borneo zeitlich vor Vietnam und Laos zu bereisen, so sind nur die letzten 2 Tage ins Wasser gefallen. Abschied von einer wunderschönen Insel, mit liebenswerten Menschen, die ich mit der Besorgnis verlassen muss, ob sie sich in einigen Jahren auch noch so präsentieren wird. „Terima Kasih dan Selamat Jalan Borneo“, danke und auf Wiedersehen Borneo.



Jean Passepartout     

 

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