Die Weltreise
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Neuseeland
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Schon viele Monde war Kupe seine Frau Hine Te Aparangi  und ihre Gefolgsleute in ihren Reisekanus, Waka Hourua genannt, unterwegs nach Süden. Sie kamen von Hawaiki, dem mystischen Ort in der polynesischen Inselwelt, auf der Flucht vor einer blutigen Stammesfehde. Hine erblickte als erste Land, dessen Umrisse, noch unter einer weißen Wolken verborgen, sich am Horizont abzeichneten. „He Ao! He ao tea“ rief sie überglücklich „Dort Wolke! Dort weiße Wolke“. Aotearoa, das Land der „langen weißen Wolke“ bot den polynesischen Seefahrern Schutz nach dieser langen und schwierigen Fahrt über tausende Kilometer des pazifischen Ozeans.

Irgendwann zwischen 800 und 1000 AD setzten die ersten polynesischen Siedler ihren Fuß auf die beiden Inseln, auf ein Land von atemberaubender Schönheit, mit majestätischen schneebedeckten Bergen und unberührtem Regenwald, mit ursprünglichen fischreichen Seen, türkisfarbenen Buchten mit bewaldeten kleinen Inseln, mit Gletschern, Fjorden, Vulkanen und Geysiren, auf ein Land, dass sie Aotearoa nannten und das wir heute als Neuseeland kennen. Eine kleine Liebeserklärung vorweg.

Ich bin von Sydney nach Auckland geflogen, der größten Stadt des Landes mit 1,3 Mio. Einwohner und der Gateway für die Reisenden aus aller Welt, um die Erkundung der beiden Insel zu beginnen. Auckland wird auch die „city of sails“ genannt. Der pro Kopf Anteil der Bootsbesitzer ist der höchste weltweit, und das ist auch prägend für das Stadtbild.Beide Häfen, welche die Landenge, auf der schon die historischen Häuser im 19. Jahrhundert erbaut wurden, umfassen, sind bis auf den letzten Platz mit Yachten der unterschiedlichsten Größenordnung belegt. Da der Platz auf dem Wasser nicht ausreicht, hat man Bootsparkhäuser auf Land gebaut, wo die Yachten wie in einem Parkhaus für Autos neben- und übereinander von Gabelstaplern platziert werden. Der Besucher wird schon in Auckland mit der ausgeprägten vulkanischen  Vergangenheit des Landes konfrontiert, gibt es in Auckland doch ca. 60 aktive Vulkane. Zwar liegt der letzte Ausbruch des Rangitoto schon 600 Jahre zurück, aber das stellt im vulkanischen Erinnerungshorizont nur einen kurzen Zeitraum dar.

Von dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes führt mich der Weg, im selbstgesteuerten PKW, in den Norden des Landes, in die Bay of Islands, in die Wiege Neuseelands. Innerhalb der etwa 800 km langen, geschwungenen Küstenlinie der Bay of Islands findet man etwa 150 Inseln der unterschiedlichsten Größenordnung. Hier macht man erste Bekanntschaften mit der besonderen neuseeländischen Flora die allein 260 verschiedene endemische Baumarten umfasst. Der größte unter ihnen ist der Kauri, der eine Größe von etwa 50 m erreicht, eine Koniferenart, die immergrün ist und einen langen Stamm ohne Astbewuchs hat. Die Baumkrone ist mächtig und ragt weit in das Umfeld des Baumes hinaus. Der Kauri wurde von den Maori bevorzugt für den Bau ihrer großen Kriegskanus benutzt und ist nur im Norden der Nordinsel Neuseelands beheimatet. Der Pohutukawa wird, wegen der Zeitgleiche der Blüte zum Weihnachtsfest, auch als Weihnachtsbaum der Neuseeländer bezeichnet. Im Vergleich zum Kauri wird er zwar nur ca. 20 m hoch, dafür geht seine Krone aber bis zu 40 m in die Breite. Die Blätter sind dick und haben eine lederartige Konsistenz, erscheinen in einem tiefen Dunkelgrün mit einer glänzenden Oberfläche während die Unterseite von einem dichten, weißen filzartigem Bewuchs bedeckt ist. Die Blüte glänzt in einem prachtvollen, fetten und saftigen karminrot, was den Baum gelegentlich als Feuerstab erscheinen lässt.

Da wir uns auf der Südhälfte der Erdkugel befinden muss man alles auf den Kopf stellen um mit unserem Verständnishorizont in Einklang zu bringen. Der Norden eines Landes auf der Südhalbkugel liegt näher am Äquator  als der Süden und deshalb ist es dort auch wärmer. Kein Wunder, dass die Maoris, die aus Polynesien kommen und mit heißen Temperaturen groß geworden sind,  den Norden zu ihrem Hauptsiedlungsraum machten. Über Jahrhunderte waren sie die Herren von Aotearoa bis die europäischen Kolonialisten dieses Land am anderen Ende der Welt entdeckten. Abel Tasman ein holländischer Seefahrer war der erste Europäer, der Neuseeland 1642 sichtete und es für Holland in Besitz nahm. Da er aber nie einen Fuß auf die Inseln setzte, war die Inbesitznahme ohne Wirkungsentfaltung. Neuseelands heutiger Name ist auf die holländische Entdeckung zurückzuführen, deren Provinz „Zeeland“ Pate für die Namensgebung war. Die Maoris kümmerte die Entdeckung durch die Holländer wenig. Gefahr drohte dem Stammesleben der 100.000 Einheimischen im 18.Jahrhundert aber durch britische Schiffe, allen voran Captain Cook, der am 6.Oktober 1769 mit der „Endeavor“ in Neuseeland landete und dort freundliche und feindliche Berührungen mit den Maories hatte. Cook musste erfahren, dass sie stark, aggressiv und tapfer waren. Neuseeland war auf der zeitgenössischen Weltkarte aufgetaucht. Seelöwen- und Walfänger waren die nächsten, die die Artenvielfalt des neu entdeckten Landes für ihre wirtschaftlichen Interessen ausbeuteten. Die „Bay of Islands“ war ein beliebter Platz zum Anker werfen. Mit den Seefahrern kamen Alkohol und Krankheiten nach Aotearoa. Aber es entwickelte sich auch ein intensiver Naturaltausch zwischen den Maoris und den Europäern und Samuel Marsdon, ein anglikanischer Missionar, brachte den christlichen Glauben zu den animistischen Maoris. Neuseeland war zwar in der Zwischenzeit von vielen Engländern besiedelt, aber keineswegs eine Kolonie der britischen Krone. James Busby kam 1833 nach Aotearoa als „Resident“ der britischen Krone. Der Begriff „Resident“ ist sehr ungenau, um die diplomatische Mission zu beschreiben, die Busby hatte, nämlich die Einheit der Maori-Stämme zu erreichen und das Land unter treuhänderische britische Verwaltung zu bringen. Landspekulation erreichte in den 1830er ihren Höhepunkt und war die Keimzelle und Nährboden für ausgeprägte Unzufriedenheit unter den Einheimischen. Durch den Vertrag von Waitangi von 1840, den alle Maori Stämmen unterzeichneten, wurde den Maori ihr Landbesitz und Vermögen garantiert, dessen Veräußerung nur gegen einen angemessenen Preis möglich war. Sie wurden unter den Schutz der britischen Krone gestellt und ein britischer Gouverneur für die neue Kolonie eingesetzt.

Die Maori haben sich heute, anders als die australischen Aboriginies, dem europäisch geprägten Wirtschafts- und Lebensstil weitgehend angepasst.  Sie genießen volle Gleichberechtigung und ihre Rechte sind gesetzlich verankert. Seit 1987 ist die Sprache der Maori neben Englisch Amtssprache in Neuseeland, wenn auch wesentlich weniger verbreitet. Alle Regierungen der letzten 30 Jahre haben sich intensiv darum bemüht, die Stellung der Maori in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu stärken.1975 wurde das „Waitangi -Tribunal“ eingerichtet, um die Aufarbeitung von Unrecht das an den Maori begangenen wurde, (vor allem durch Missachtung der unter dem Waitangi -Vertrag geschützten Eigentumsrechte an Grund und Boden) zu beschleunigen. Zwischenzeitlich wurden viele Ansprüche verschiedener Maori-Stämme in langwierigen Schlichtungsver-fahren beigelegt.  Das Haus, in dem der Vertrag von Waitangi unterschrieben wurde, in der Bay of Islands gelegen, kann heute noch besichtigt werden und ist am National-feiertag, dem 6. Februar, dem Jahrestag der Unterzeichnung, der Zeremonienplatz.

Mein nächstes Ziel war die Halbinsel Coromandel, südöstlich von Auckland belegen, das seit 1861 in aller Munde war, als man hier Gold entdeckte, was natürlich Schürfer und Vagabunden aus aller Herren Länder anlockte. „Coromandel! Mine today, Gone tomorrow“ versinnbildlicht die Empfindungen der Bewohner, dass der mineralogische Reichtum nur ein Übergang war, dass aber die Schönheit der Landschaft ihren wahren, dauerhaften Reichtum darstellt. Nicht nur auf Coromandel sondern in ganz Neuseeland ist der Farn weit verbreitet. Dies schein, prima facie keine Besonderheit zu sein, ist der Farnbewuchs doch auch in Europa keine Seltenheit. Die Häufigkeit mit der Farn als Bodendecker, als Strauchpflanze oder als Baum in Neuseeland gefunden werden kann, ist allerdings augenfällig. Die sanften Hügelketten, mit denen die Coromandel Halbinsel überzogen ist, sind mit in verschieden Schattierungen herausgebildetem saftigem Grün des Farnbewuchs überdeckt, das an tropischen Regenwald erinnert. Der Farn war früher ein beliebter Werkstoff der Polynesier und auch der frühen Einwanderer und stellt heute mit dem „Silberfarn“ die neuseeländische Nationalpflanze, die verschiedene Sportarten, allen voran die „Allblacks“, das neuseeländische Rugbyteam, als ihr Emblem gewählt haben. Hier auf der Coromandel – Halbinsel gedeiht die Neuseeländische Kiwifrucht am besten. Sie wurde 1906 in Neuseeland eingeführt, stammt ursprünglich aus China und wird auch chinesische Stachelbeere genannt. Verwundert war ich trotzdem, als im Supermarkt auch italienische Kiwi angeboten wurden. Der ökologische Sinn, Kiwi auf die andere Seite der Erdkugel, in ihr primäres Anbaugebiet zu transportieren, erschließt sich mir nicht ganz.

Der Weg führt mich ins Landesinnere nach Südwesten, nach Rotorua. „I was pleased to get to so close to Hades and be able to return“. Die ist kein Zitat aus dem Mund von Jean Passepartout oder gar Phileas Fogg, von dem literarischen Vater der beiden, von Jules Vernes ganz zu schweigen. Aber George Bernhard Shaw sah sich, angesichts der Geysire, der heißen Schlammlöcher und des penetranten Schwefelgeruchs in einem Ödland der Nordinsel, 1934 bei seinem Besuch von Rotorua, aufgerufen diesen Vergleich mit der Hölle der griechischen Mythologie zu ziehen. Rotorua verbreitet heute Freude und keine Qual. Zusammen mit Queenstown ist es das Juwel des neuseeländischen Fremdenverkehrs. 10 kristallklare Seen, in prachtvoller Natur mit gelegentlicher thermischer Aktivität, wo Camper, Angler, Jäger oder Segler alles finden, was ihr Herz begehrt. Rotorua ist die Heimat für knapp 70.000 Menschen, von denen ein Drittel Maori sind.

Es ist wieder der Punkt gekommen wo wir in den „Brunnen der Vergangenheit“ blicken müssen um die Phänomene, die Neuseeland von meinen bisherigen Reisezielen unterscheidet etwas näher zu beleuchten. Gondwana zerfiel. Der Riesenkontinent, der sich von Laurasia entfernte, zerfledderte. Mein Australienbericht gibt dazu bereits einige Erläuterungen. Vor ca. 80 Millionen Jahren löste sich Neuseeland von Gondwana und begann seine pazifische Odyssee. Verantwortlich für diese Trennung waren die Bewegung der dortigen Erdplatten, die Kontinentalverschiebungen - die Verschiebung der tektonischen Platten. Neuseeland verharrte auf der Kante wo sich zwei mächtige Platten treffen – die australische und die pazifische Platte. Nun sind dies keine friedlichen Gesellen, sie sind ständig in Bewegung. Sie schieben sich über- und untereinander und lösen damit Erdbewegungen aus, die sich als Erdbeben bemerkbar machen. Die Erde gibt dort auch ihr Inneres in Form von Magna,  geschmolzenem Erdreich, preis, das über Vulkane nach Außen gelangt. Der sogenannte „Pacific Ring of Fire“ ist ein 40.000 km langer, wie ein Hufeisen geformter Ring, der sich zuerst nördlich entlang der pazifischen Platte von Neuseeland aus über Neuguinea und Japan gebildet hat und sich dann nach Osten wendet wo er in Alaska auf die nordamerikanische Platte trifft, sich von dort nach Süden bewegt um vor der südamerikanischen Westküste von der Nasca Platte ergänzt zu werden, die auf die südamerikanische Platte trifft und entlang der chilenischen Westküste bis nach Patagonien führt. Der „Ring of Fire“ vereint 452 über- und unterirdische Vulkane und damit 75 % aller aktiven und inaktiven Vulkane dieser Welt. 90 % aller Erdbeben ereignen sich entlang dieses Hufeisens. Allein während meines Aufenthaltes in Neuseeland haben sich hier 40 Erdbeben ereignet, wovon das stärkste mit 5,7 auf der Richter Skala gemessen wurde. Gespürt habe ich kein einziges. Das über 8 starke chilenische Beben mit seinen unzähligen Nachbeben fiel ebenfalls in diesen Zeitraum. Lake Taupo, der etwas südlich von Roturua liegt, und mit über 600 qkm der größte See Neuseelands ist, entstand ebenfalls durch einen der gewaltigsten Vulkanausbrüche in historischen Zeiten vor etwa 2000 Jahren. 

Die vulkanisch seismischen Aktivitäten der Neuzeit haben ihr tragischstes Beispiel in der Hawkes Bay in Napier und Hastings, östlich von Taupo an der Pazifik Küste, hinterlassen. Dieses Wein- und Obstanbaugebiet „The Fruitball of New Zealand“, das mit seinen Braeburn und Gala Äpfeln unseren Meckenheimer Obstbauern das Leben schwer macht, wurde 1931 durch ein 7,9 Erdbeben dem Erdboden gleichgemacht. 258 Menschen verloren ihr Leben. „Auferstanden aus Ruinen“ wurde aus Napier eine Art Deco Stadt, die auf Land wiedererbaut wurde, das durch das Erdbeben an die Wasseroberfläche gehoben wurde. Pastellfarbene Häuser mit verspieltem Dekor bilden heute das Stadtzentrum. Wir befinden uns hier fast auf 178 Grad östlicher Länge, dort wo die Sonne Tag für Tag zuerst ihr strahlendes Antlitz aus den Tiefen des Pazifiks erhebt.

Mein Weg durch Aotearoa führt mich wieder zurück ins Landesinnere über eine szenisch wunderschöne Bergstrasse die auch die „Gentle Annie“ genannt wird. Nun beschreibt „gentle“ den Straßenzustand vielleicht etwas ungenau, musste ich doch einige Kilometer Kiespiste in Kauf nehmen, was die ach so strapazierten Rückenwirbel doch einem unangenehmen Belastungstest aussetzten. Mein Tagesziel war das Bayview Chateau, ein historisches Anwesen, das unterhalb von Mount Ruapehu, dem 2796 m hohen, immer schneebedeckten und noch aktiven Vulkan im Tongariro Nationalpark liegt. Der Nationalpark, der von dem Maori Häuptling Te Heuheu Tukino gegründet wurde ist der viertälteste Nationalpark der Welt und heute auch WHS der UNESCO. Der letzte größere Ausbruch war 1997 und auch 2007 ergoss sich eine Lavaflut die Abhänge von Mt. Ruapehu hinab. Zwei weitere Vulkane ergänzen die, durch grauschwarz und silbern gefärbten erkalteten Lavaformationen, an eine Mondlandschaft erinnernde Hochebene im Zentrum der Nordinsel und zwar der Mount Tongariro, der dem Naturpark seinen Namen gegeben hat, mit 1968 m, und Mount Ngauruhe (2290 m), der Mount Doom aus der Tolkien Verfilmung „Der Herr der Ringe “. Um Tolkiens Trilogie in Szene zu setzen musste „Mittelerde“, das man nicht einfach in einem Studio nachbauen konnte, in der passenden Umgebung ins Leben gerufen werden. Kein Land bietet in seiner Naturbelassenheit und dem landschaftlichen Abwechslungsreichtum, mit alpinen Gebirgen, Grassteppen, urwüchsigen Wäldern, reißenden Stromschnellen und sanft dahin mäandernden Flussläufen, wie sie von J.R.R. Tolkien in seinem Roman beschrieben werden, so hervorragende Möglichkeiten für die Inszenierung dieses Epos, wie Neuseeland. Der neuseeländische Regisseur Peter Jackson und sein Team waren wochenlang mit Jeeps und Hubschraubern unterwegs. Sie streiften durch Wälder, Naturparks und Sümpfe, um den perfekten Landstrich für Rohan, das Nebelgebirge, Mordor oder das Auenland zu finden. Der Herr der Ringewurde während der 18-monatigen Verfilmung an 150 Location im ganzen Land aufgebaut. Die Dreharbeiten waren eine logistische Herausforderung, wie sie die Filmwelt selten erlebt hat. Straßen und Brücken wurden nur für diese Produktion errichtet. Die Crew hatte mit Schneestürmen, Überschwemmungen und Erdbeben zu kämpfen. Und an manchen Tagen waren bis zu 20.000 Statisten am Drehort.

,Auf dem Weg über New Plymouth und Wanganui in die Hauptstadt des Landes nach Wellington, nehme ich einen Umweg in Kauf und fahre auf dem „Forgotten World Highway“ nach Süden. Auf kurvenreicher, gebirgiger Straße, die nicht durchgängig asphaltiert ist, erlebt man Neuseelands prachtvolle Natur in eindringlichster Vielfalt. Der würdevolle Rimu Baum, der bis zu dreißig Meter groß werden kann überthront die Flora, die sich an den Berghängen hinauf erstreckt. Die hellgrünen, spitz zulaufenden Blätter liegen flach an den Ästen an, die sich um einen Stamm gruppieren, dessen dunkle braungraue Borke sich galant abschält. Der Miro ist ein lieblicher, etwas niedriger wachsender Baum dessen dunkelgrüne, spitz zulaufenden, Blätter mich an unsere einheimische Eibe erinnern. Auch der Rohutu, ein kaum 5 m an Größe gewinnendes Gewächs, hat eine sanfte Schälung seiner Borke mit einem fast zimtfarbenen Ton, wodurch die neue Haut freigegeben wird, die durch ihre blasse, grünlich weiße Färbung einen anschaulichen Kontrast herstellt. Nicht sehr viel größer als der Rohutu findet der Hoheria seinen Platz an den zwischenzeitlich sanft gewellten Hügelketten und bringt dank seiner weißen Spätblüte einige Farbtupfer in eine überwiegend  grüne Landschaft. Der Putaputaweta trägt lilaschwarze kleine runde Beeren, die einträglich neben den scharf gezahnten grün marmorisierten Blätter hängen. Die Nikau, von eleganter, würdevoller Erscheinung, ist die am südlichsten wachsende Palme, die einzige Palmenart die in Neuseeland vorkommt. Der Ti-koukae wird vielfach für eine Palmenart gehalten. Die schwertförmigen bis zu 90 cm langen und 5 cm breiten Blätter wachsen in Büschel an dem vielverzweigten Stamm. Für die Maoris waren die fleischigen Wurzeln ein begehrtes Nahrungsmittel. Seit der ersten Reise von Captain Cook nach Neuseeland 1769 wird der Baum, wegen der essbaren Blätter auch „Cabbage Tree“ genannt. Und zwischen dem Baum- und Strauchbewuchs schließen die Farne das Blätterdach der Hügel, einem grün gemasertem Teppich gleich, der sich beschützend über das Land legt. Die sanften Hügelketten verlieren jetzt die Bewaldung. Das Auf und Ab der Topographie gewinnt an Intensität bis sie an ein überdimensioniertes Waschbrett erinnert. Der Spätsommer hat den Grasbewuchs überwiegend in ein sanftes Sandbraun getaucht, gegen das frisches leuchtendes Grün immer wieder ankämpft. Auf dieser grünbraunen Oberfläche siedeln gebräunte Tussockgrasinseln, sodass man aus der entfernten Betrachtung den Eindruck einer mit Pusteln übersäten Haut eines pubertierenden Knaben erhält.

Zur Mittagszeit halte ich in einem kleinen Marktflecken entlang des Highways und erspähe ein Hotel das auch einen Mittagstisch offeriert. Beim Betreten des Cafes war ich über die Ansammlung der Touristen erstaunt die geduldig am Tresen warteten. Nun ist es in Cafes durchaus üblich, dass man seine Mahlzeit am Tresen bestellt, dort bezahlt und auf die Fertigstellung des kulinarischen Genusse, oder weniger, wartet. Ich reihte mich brav in die Schlange ein, die überwiegend aus silbrig gelockten Damen bestand. Alle bewahrten ihre besten Jahre schon in historischer Erinnerung. Erstaunt war ich, dass keineswegs der Ankauf von Nahrung im Mittelpunkt der Bemühungen stand. Was war es? Welches besondere Ereignis ließ diese intellektuelle Gemeinschaft, überwiegend teutonischer Suffragetten, so beharrlich ihr höchstes Gut – die Zeit – als Opfergabe an einem Tresen diesseits des 40.Grades südlicher Breite, darbieten. Es war ein Stempel, vielmehr ein Stempeleindruck in ihrem Passaport. Höflich erlaubte Passepartout sich die Frage nach dem Grund? „Ob ich das denn nicht wüsste?“ kam die Replik, begleitet von Blicken, die tiefstes Unverständnis ausdrückten und die von klirrendem Hohngelächter begleitet wurden. Man befindet sich hier in der unabhängigen Republik Whangamomona. Weitere Fragen ließen mein Ehrgefühl nicht zu. Eine Informationsbroschüre, die ich auf einem der Tische fand, gab Aufschluss über die Hintergründe. 1989 wurden die regionalen Ländergrenzen in Neuseeland neu gezogen. Das 40 Seelen Dorf Whangamomona, das bisher der Taranaki Region zugehörte, sollte zukünftig der Manawatu-Wanganui Region zugehören. Dies lehnten die Einwohner ab und erklärten zum 1. November desselben Jahres ihre Unabhängigkeit. Sie gründeten die Republik Whangamomona und wählten einen Präsidenten. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

Mit Mount Taranaki  oder Mount Egmont im Rücken, einem fast perfekt geformten Kegelvulkan der knapp 2.600 m hoch und erloschen ist, erstreckt sich New Plymouth, mit seinen 50.000 Einwohnern entlang der Westküste der Nordinsel und ich bin somit zum ersten Mal auf meiner Reise durch Aotearoa an der Küste der tasmanischen See, die Neuseeland von Australien trennt, gelandet. Obwohl er Neuseeland nie betreten hat ist Abel Tasman der Namensgeber für viele topographische Highlights der Region gewesen. Abel Tasman National Park, Mount Tasman und Tasman Gletscher, von denen wir noch hören werden, da sie sich alle auf der Südinsel des Landes befinden. Und natürlich Tasmanien, die Insel voller Natur vor der australischen Südküste. Die Reise geht weiter über Wanganui nach Wellington, der Hauptstadt Neuseelands. Wellington wurde oft mit San Franzisko verglichen, und das zu Recht. Neben der Erdbebengefahr, denen beide Städte ausgesetzt sind, befinden wir uns sowohl hier wie dort in sehr hügeligem Terrain, was durchaus peinigend sein kann. Auch finden wir in beiden Städten eine große Anzahl von alten Holzhäusern die mit Regenbogenfarben bemalt sind. Und schließlich hat Wellington, deren City nur ca. 190.000 Einwohner zählt, auch eine Kabelbahn, die von dem Nabel der Stadt am Lambton Quay zum Botanischen Garten führt. Von dort hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt. Der Wind ist ein weiteres Handicap von Wellington, dessen Intensität sogar den Anlass für einige Cartoons gab, wo die Einwohner immer in gebückter Haltung gezeigt werden, um gegen den eisigen Südwind anzukämpfen der von den Südalpen der Südinsel herüber bläst. Wellington ist seit 1865 Hauptstadt von Neuseeland, das insgesamt 4,3 Mio. Bürger zählt, von denen über zwei Drittel auf der Nordinsel leben. 70 % sind europäischer Abstammung, Pakeha genannt, 20 % Maories und polynesischer Abstammung und der Rest entfällt auf asiatische Zuwanderer. Seit 1907 ist Neuseeland von Großbritannien unabhängig, zunächst als Dominion und seit 1947 genießt es die völlige Souveränität als parlamentarisch-demokratische Monarchie im Commonwealth of Nations. Das Einkammerparlament ("House of Representatives") mit 122 Sitzen, wird alle 3 Jahre wiedergewählt. Seit 1993 wurde das britische Mehrheitswahlrecht, das im Englischen viel griffiger „first past the post“ heißt, durch das deutsche System von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht ersetzt. Die Wirtschaft ist immer noch sehr stark durch die Landwirtschaft, die 60 % des Exports ausmacht und zwischenzeitlich auch durch Tourismus mit 20 % Anteil (die Zahl der internationalen Touristen hat sich in den letzten 20 Jahren auf 2,5 Mio. pro Jahr verdoppelt), geprägt. Dies reicht aber bei weitem nicht aus um das chronische Defizit in der Handelsbilanz auszugleichen. Erschwert wird dieser strukturelle Nachteil durch das Abwandern von qualifizierten Kräften, insbesondere nach Australien, wo deutlich bessere Löhne und Gehälter bezahlt werden.

Ich verlasse die Nordinsel und begebe mich früh am Morgen an Bord der Fähre in Richtung „Marlborough Sounds“ durch tiefeingeschnittene Sunde, ein Labyrinth „ertrunkener“ Flusstäler. In Picton übernehme ich meine neue Karosse und fahre entlang der Ostküste, der pazifischen Küste, nach Kaikoura. Hier vor der Küste dieses kleinen Marktfleckens hat sich eine einzigartige Underwasser Topographie gebildet. Pottwale und Delfine werden wegen der Nahrungsvielfalt, die in den Schluchten der dortigen pazifischen Unterwasserwelt zu finden sind, ganzjährig anlockt. Pottwale sind Zahnwale, sie ernähren sich also nicht von Plankton wie die Bartenwale, sondern von Fischen, insbesondere von Rochen und Tintenfische. In aller Regel sind die Zahnwale (z.B. der Orca) kleiner als die Bartenwale, die Ausnahme bildet der Pottwal, der bis zu 20 m lang und 50 Tonnen schwer werden kann. Die Pottwale haben das größte Gehirn aller Lebewesen und sind hervorragende Taucher. Ein Tauchgang der eine Stunde dauert, und bis zu einer Tiefe von 300 m führt, ist keine Seltenheit. Dann muss der Wal auftauchen, seinen Körper vom CO2 entgiften und neuen Sauerstoff zu sich nehmen. Die englische Bezeichnung „Sperm Whale“ stammt von der an Sperma erinnernden Konsistenz und Aussehen des Walrats. Dies ist in dem riesigen Kopf des Wals gespeichert und dient als Tauchhilfe, indem es den Sink- und Steigevorgang des Wals kontrolliert. Also auf zur Suche nach dem Leviathan, dem mythischen Seeungeheuer. Das diese Meeresriesen einem Schiff minderer Bauart durchaus gefährlich werden hat Melville in seinem 1851 erschienenen Klassiker „Moby Dick“ beschrieben und den Untergang des Walfängers „Essex“ im Jahre 1820, der von einem Pottwal gerammt wurde, in die Geschichte einmontiert. Neben der dramatischen Schilderung von Captain Ahab`s Rachefeldzug gegen den weißen Wal „Moby Dick“, der ihn vor Jahren zum Krüppel gemacht hat,  werden die sozialen Strukturen der damaligen Zeit von Ismael, dem Erzähler, unter die Lupe genommen. Ebenso wird das Leben der Matrosen an Bord eines Walfängers aus Nantucket beleuchtet und alles durch Hintergrund-informationen über Wale und Walfang gewürzt. Der Wal ist der Stärkere. Captain Ahab, der tiefreligiöse „Quäker“, sein Schiff die „Pequod“ und die Mannschaft gehen unter. Nur Ismael überlebt. Schließlich musste er die Geschichte erzählen, die heute eines der bedeuteten Werke der englischsprachigen Literatur darstellt. Der Gefahren bewusst, die in den Tiefen des pazifischen Ozeans lauern, erhob sich Jean Passepartout in die Lüfte, um dank des Helikopters aus sicherem Abstand die dunkelbraungrauen Riesen zu beobachten.  Majestätisch ohne jegliche Anstrengung gleiten sie dahin. Gelegentlich, von einer Fontäne Wasser begleitet, entleeren sie den schädlichen CO2 Inhalt ihrer Lungen um dann mit frischem Sauerstoff und einer koketten Steuerung durch ihre Schwanzflosse wieder in den tiefdunkelblauen Gewässern vor Kaikoura einzutauchen, auf der ewigen Suche nach Nahrung. Ein beeindruckendes Erlebnis. Ich habe in Neuseeland überwiegend in Bed & Breakfast Häusern übernachtet. Diese haben nicht nur einen sehr guten Komfort boten, sondern auch viel persönlichen Kontakt zu den Wirtsleuten und anderen Touristen ermöglicht. Trevor, ein Maori, der Host in Kaikoura war über 20 Jahre lang Abalone Taucher vor der Küste von Kaikoura. Abalone ist, eine auf deutschen Speisekarten Deutschland nicht so geläufige Speise. Es ist eine Seeschnecke, die in der asiatischen, aber auch südamerikanischen Küche einen hohen Stellenwert genießt.

Der Weg führt mich weiter nach Süden entlang der romantischen, teilweise auch etwas wilden Küste, die später in eine landwirtschaftliche Nutzfläche übergeht, mit vielen kleinen Ortschaften, um über das Weinanbaugebiet der Waipara nach Christchurch, der Metropole der Südinsel zu gelangen. In Christchurch lebt man sein Leben in traditionellen Bahnen – eine Bootsfahrt mit dem „Stocherkahn“ auf dem Avon, der seinen Namen nicht von dem Avon an dem Stratford liegt, sondern von dem schottischen Avon erhalten hatte, eine Fahrt mit der Straßenbahn durch die Innenstadt, die Kaffeetafel im Universitätsviertel oder ein Besuch der vielen öffentlichen Gärten – Christchurch ist die englischste aller neuseeländischen Städte.

Wenn man die Stadt nach Süden hin verlässt erreicht man über die „Summit Road“ die „Banks Peninsula“ von deren Hügel man einen beeindruckenden Blick auf „Akaroa Harbour“ hat, über leicht abfallende grüne Wiesen auf denen Schafe friedvoll weiden hinab zum hellblau schimmernden Wasser von Akaroa Harbour, der zur anderen Seite hin durch steil ansteigende, ebenfalls im hellen Grün erscheinenden, Bergwände begrenzt wird. Neuseeländische Idylle. Als Captain Cook Neuseeland kartographisierte unterliefen ihm zwei Fehler. Die Halbinsel von Akaroa wurde als Insel auf seinen Landkarten verewigt. Der zweite Fehler betraf Stewart Island, das er als zur Südinsel gehörig kartographisierte obwohl es eine Insel ist.  Akaroa ist voll von Erinnerungen an französische Siedler, die hier ihre neue Heimat fanden. Die Straßennamen, der alte französische Friedhof und einige Häuser erinnern noch an die Zeit nach 1840, obwohl die englischen Siedler auch in diesem Teil der Welt bald die Überhand gewannen. Das Hafenbecken von Akaroa, das durch eine Vulkaneruption entstand, ist die Heimat der Hector Delfine, die kleinsten Delfine der Welt, die man hier auf einer Bootsfahrt regelmäßig bei ihren lustigen Wasserspielen beobachten kann.

Ich nehme für eine kurze Zeit Abschied von der Küste und fahre ins Landesinnere, zunächst durch Canterbury, das fruchtbare Herzstück der Südinsel, um langsam an Höhe zu gewinnen und über Lake Tekapo, Lake Pukaki zu erreichen. Am südlichen Ende dieses Gletschersees kann man den ersten Ausblick auf Mount Cook genießen, den mit 3.754 m höchsten Berg Neuseelands. Bei prachtvollem Wetter fuhr ich entlang des Sees, in dessen milchig türkisem Wasser, das so typisch für alle von Gletscherwasser gespeisten Seen ist, die Skyline der 3000er sich widerspiegelte, mit „Aoraki“, der Maori Name für Mount Cook, was so etwa „Wolkendurchbohrer“ heißt, sich imposant in der Mitte der Bergkette erhebend. Die Aoraki Mount Cook Region war die Trainingsstätte für Sir Edmund Hillary vor der Bezwingung des Mount Everest. Der schmale Nationalpark zieht sich 80 km entlang des Grades der Südalpen, vereinigt aber 140 Gipfel über 2000 m sowie 72 Gletscher, darunter Neuseelands längster und mächtigster Gletscher, der Tasman mit einer Länge von 27 km und einem Durchmesser von bis zu 600 m.

Nach diesem Abstecher in alpine Regionen setzt ich meinen Weg nach Süden fort. Ich fahre am Waitaki Fluss entlang, der an verschiedenen Stellen zur Stromgewinnung aufgestaut wurde, wieder nach Süden. Etwa ein Drittel des Energiebedarfs Neuseelands wird durch erneuerbare Energien gedeckt, fast ausschließlich durch Hydroenergie und Geothermik. Mein Ziel ist Dunedin, die Stadt, die den keltischen Namen von Edinburgh trägt und die am Kopf einer langgezogenen Bucht liegend viele Gebäude aus der Victorianischen und Edwardian Epoche erhalten konnte. In Dunedin wurde die erste Universität des Landes eingerichtet, die erste medizinische Fakultät entstand. 20.000 der 120.000 Einwohner der Stadt sind heute Studenten. Die erste elektrische Straßenbahn und die erste Tageszeitung, all dies sind Errungenschaften der von Schotten gegründeten Stadt im Südosten der Südinsel Neuseelands. Und mit der Otago Halbinsel bietet die Region einen weiteren Leckerbissen ausgewählter Fauna. So sieht man hier den Pukeko, einen endemischen Vogel der Insel. Pukekos sind langstielig staksende, rund 50 cm große Vögel mit einem schwarzblau schimmernden Gefieder. Bei jedem Schritt der leuchtend rot orange Beine, die immer wohlgesetzt werden und doch manchmal so wirken als würde der Vogel auf Eis laufen, werden die falsch herum montierten Kniegelenke so weit gebeugt, als ob der Besitzer durch nassen Zement waten würde. Die riesigen Füße bestehen hauptsächlich aus drei Zehen ohne Schwimmhäute, die so lang sind wie die Schenkel selbst. Sie werden bei jedem Schrittvorgang gespreizt und gefaltet wie das Gerippe eines defekten Regenschirms. Der Paradieskasarka (Paradise Shellduck) ist eine Entenart, die ebenfalls nur auf Neuseeland zu finden ist. Das Federkleid des männlichen Vogels ist ebenso wie Schnabel und Augen in einem tiefen Schwarz gehalten, lediglich die Unterschwanzdecke erscheint in einem kräftigen Lehmbraun. Der Kopf und der Hals sind schwarzgrün. Der Austernfischer ist etwa so groß wie ein Kiebitz, hat einen gedrungenen Körperbau mit schwarzem Obergefieder und weißer Unterseite, einen langen roten Schnabel und rote Beine. Diese Vögel sehen wir auch häufig an den Küsten der Nord- und Ostsee. Der Königslöffler kommt in Australien, Neuseeland und einigen Inseln des pazifischen Raums vor und trägt, als sein Markenzeichen, einen löffelförmigen dunkel-schwarzen Schnabel. Sein Federkleid hingegen erstrahlt in einem blütenreinen Weiß. Die Flügelspannweite erreicht immerhin eine Länge von 1,20 m. Übertroffen wird er nur noch von dem größten Seevogel der Welt, dem Königsalbatross. Der Anblick dieses mächtigen und dennoch grazilen Vogels, der mit seinen 3 m großen Schwingen und mit hocherhobenem Kopf durch die Lüfte gleitet, ist schon atemberaubend. Er tanzt auf den Luftströmen, minutenlang ohne eine Schwingenbewegung und nähert sich dabei bis auf wenige Zentimeter der Wasseroberfläche, das man schon helfend eingreifen möchte, wenn man denn könnte, um ihn vor der nächsten größeren Welle zu schützen. Doch nein mit einem galanten kurzen Schwenk, wobei er wiederum die natürlichen Kräfte der atmosphärischen Zirkulation ausnützt, gleitet er grazil in sichere Höhen um dort, von seinem erhobenen Luftkissen aus, sein Spiel von neuem zu beginnen. Am Taiaroa Head an der Spitze der Otago Halbinsel, findet man die weltweit einzige Brutkolonie auf dem Festland, wo Königsalbatrosse ihren Nachwuchs zur Welt bringen und großziehen. Erwachsene Albatrosse kehren mit Beginn der Brutsaison Anfang September nach Taiaroa Head zurück, und haben bis Anfang November ihr Nest gebaut, in welches das Weibchen ein etwa 500 Gramm schweres Ei ablegt. Die Eltern teilen sich das Brüten die nächsten elf Wochen lang. Dabei handelt es sich um eine der längsten Brutzeiten im ganzen Vogelreich. Die Küken schlüpfen Ende Januar / Anfang Februar. Wenn sie Anfang September voll ausgewachsen sind, verlassen sie das Nest, probieren ihre Flügel aus und erheben sich – mit Unterstützung eines kräftigen Windstoßes – zum ersten Mal in die Luft. Etwa ein Jahr nach ihrer Ankunft am Taiaroa Head verlassen die Altvögel die Kolonie und kehren aufs Meer zurück, ein Jahr später beginnt dann für sie eine neue Brutsaison. Die Jungvögel verbringen die nächsten drei bis sechs Jahre auf dem Meer, viele von ihnen kehren zu diesem einzigartigen Brutplatz zurück und gründen eine neue Generation von Königsalbatrossen. Und last but not least, nisten hier die „Blue Penguins“ die Zwergpinguine, die kleinsten ihrer Art weltweit.

Über die Catlins, einer Region mit einer wildromantischen Küstenlandschaft, wo man die pazifischen Winde besonders intensiv erleben kann, fahre ich nach Invercargill, das nahe dem südlichsten Punkt des neuseeländischen Festlands, gelegen ist. Hier besteige ich das kleinste Flugzeug meiner bisherigen Reise, eine Britten Norman Islanders, eine zehnsitzige Propellermaschine, die mich in 20 Minuten die 50 km über die „Foveaux Street“ nach Oban „der Stadt“ auf Stewart Island bewältigen ließ. Die Maori geben der Insel den Namen Rakiura „glühende Himmel“. Die Insel hat etwa die Form eines Rechtecks und ist an der westlichen Küste fast 60 km lang. 350 Menschen leben in diesem Naturparadies. Gegenüber dem Festland hat Stewart Island einen großen Vorteil, der insbesondere der Vogelwelt zugute kommt. Hier findet man keine Opossum. Was ist ein Opossum? Was ist so besonderes an ihm, das an dieser Stelle darüber berichtet werden muss?

Nun, bevor wir diese Fragen etwas näher beleuchten, muss ich Euch nochmals in den „Brunnen der Vergangenheit“ zurückführen aber nur eben jene 80 Mio. Jahre, vor denen sich Neuseeland von dem australischen Teil Gondwanas löste. Wir erinnern uns, dass die Antarktis noch weitere 35 Mio. Jahre an Australien „hing“, bevor es sich löste, und völlig eisfrei auf dem eisfreien Südpol Platz nahm. Das mit den eisfreien Polkappen hatten wir also schon einmal und es ist noch gar nicht so lange her, wenn wir die Erdgeschichte als Zeitvergleich heranziehen. Aber keine Abschweifungen, wie ging es mit der geologischen Entwicklung und der Entwicklung von Fauna und Flora Neuseelands weiter. Nach weiteren 20 Millionen Jahren, als Neuseeland seine heutige Position auf der topographischen Karte erreicht hatte, war nur noch ein sehr kleiner Teil der Landmasse übriggeblieben, die sich von Gondwana gelöst hatte. Der Rest wurde von der tasmanischen See und dem Pazifik überflutet, es blieb „Tasmantis“. Vor etwa 30 Millionen Jahre war Neuseeland so versunken, das eine Landmasse kaum noch erkennbar war. Dann quasi in der letzten geologischen Minute wurde Neusee- land durch Kompressionsbewegungen des Seebodens wieder nach oben gehoben, Vulkane brachen aus und formten mit Wasser, Wind und Eis die heutige Landschaft. Die südlichen Alpen mit Mount Cook wurden in den letzten 2 Millionen Jahren, einem Wimpernschlag in der geologischen Zeitrechnung aufgefaltet, und wachsen immer noch einige Zentimeter pro Jahr.

Durch diese Wiederauferstehung aus den Tiefen des Ozeans hat sich eine von Australien gänzlich unabhängige Flora und Fauna entwickelt. Während Australien ein Schlangenparadies ist, gibt es in Neuseeland keine Schlangen. Mit Ausnahme von zwei Fledermausarten die endemisch für Neuseeland sind, gab es, bis zur Ankunft der Maori und der Kolonialisten, keine Säugetiere. 80 % der Flora und 25 % der Vögel sind endemisch. Ohne natürliche Feinde konnten sich die Vögel hier frei entwickeln. Einige von ihnen verloren sogar ihre Flugeigenschaften, weil man ja vor niemandem fliehen musste, so der Moa, Kakapo und Kiwi. Während der Moa inzwischen ausgestorben ist, sind Kakapo und Kiwi stark gefährdet.

Der Grund hierfür ist, im wesentlichen, das Opossum. Dies ist eine Art Beutelratte von der Größe einer Hauskatze, die im 19. Jahrhundert aus Australien wegen ihres schönen Felles importiert wurde. Opossum sind Allesfresser, auch Vögel und Vogeleier gehören zu ihrer Nahrung, und sie haben sich zu einer wahren Plage entwickelt. Ihre Population wird heute mit allen Mitteln bekämpft. Dazu gehört Compound 1080 ein Gift das, nicht nur für die Opossum, sondern für alle anderen Tierarten tödlich sein kann. Tote Opossum säumen den Straßenrand. Es wird mit allen Mittel auf sie Jagd gemacht, auch mit dem Auto. Ich wurde, gleich am Anfang meiner Reise dringlich gebeten nicht nur nicht zu bremsen sondern ruhig auf die andere Fahrbahnseite zu fahren wenn die Möglichkeit für einen "Kill" besteht. Ich habe zum Glück keine lebenden Opossum in freier Wildbahn gesehen, dafür aber auf etwa einem Kilometer Fahrstrecke sechs tote Tiere gezählt. Die Population hat sich auf 35 Millionen quasi halbiert. Warum ist das Opossum in Australien nicht das gleiche Problem? Weil Dingos und Giftschlangen dort die Population regulieren.

Nun, auf Stewart Island gibt es dieses Pelztier nicht dafür aber eine Vogelpopulation die ihresgleichen sucht. Der Kakariki ein Ziegensittich, der Tui ein endemischer Vogel aus der Familie der Honigfresser sowie der Bellbird der Maori Honigfresser genannt, der Weka auch ein endemischer flugunfähiger Vogel, der Kereru eine Taubenart und deshalb in der Übersetzung Maori Fruchttaube genannt und schließlich der Kaka ein großer Papagei, der insbesondere in der Nähe von menschlichen Siedlungen seine Singspiele vorträgt und sehr zutraulich ist, alle diese und noch viel mehr sind häufig auf Stewart Island anzutreffen. Für mich verborgen, trotz einer Nachtwanderung, die speziell für die Erkundung dieses nachtaktiven Vogels angesetzt war, blieb der Kiwi.

Das Meer rund um Stewart Island hat ebenfalls eine reichhaltige Auswahl an Meeresbewohnern zu bieten. Passepartout begab sich auf den ersten „Fishing Trip“ seines Lebens. Innerhalb von 2 Stunden, gelang es einem Engländer, der ebenfalls das erste Mal eine Leine in der Hand hatte, und mir 20 Fische zu fangen, davon größtenteils Sandbarsch, aber auch 2 kleine Haie und fast einen Barracuda, der sich in einen gefangenen Sandbarsch verbissen hatte. Bei dem Versuch ihn an Bord zu bringen riss die Leine. Die Abwehrkräfte des Tieres waren einfach zu stark. Neuseeland legt ein großes Augenmerk darauf, dass nur Fische einer bestimmten Größe gefangen werden, damit der Nachwuchs nicht überfischt wird und auch in Zukunft für Fischreichtum sorgen kann. Mit Ausnahme von 5 Sandbarsche  wanderten alle Fische wieder zurück in das artenreiche Nass. Diese wurden fein filetiert und gerecht verteilt. In Oban gibt es unten am Hafen eine Fish & Chips Bude, vergleichbar mit unseren Currywurst Tempeln. Für einen kleinen Obolus wurden meine Filets in üblicher Manier zubereitet, und mit Pommes Frites und Tatarsauce nahm ich an einem der Tische im Freien Platz und genoss bei herrlichem Sonnenschein meinen frisch gefangenen Sandbarsch. Ein Highlight meiner bisherigen Reise. Überhaupt Fisch! Nicht Lamm sondern Fisch war mein Hauptnahrungsmittel auf Neuseeland. Zackenbarsch, Knurrhahn, Wrackbarsch, Fingerflosser, Sandbarsch und viele andere haben meinen Gaumen verzückt. Leider ist Neuseeländischer Weißwein für meinen Geschmack zu säureintensiv. Ich bin deshalb auf andere Länder umgestiegen, um die adäquate Weinbegleitung zu haben.

Mit der mir schon geläufigen Britten Norman Islander ging es zurück auf das Festland um dann entlang der Südküste über Riverton nach Norden, an der Ostseite der Berge des Fjordlandes vorbei, nach Te Anau zu fahrenem ein Zwischenstop auf dem Weg zum Milford Sound. „Das achte Weltwunder“, so beschrieb Rudyard Kipling das Fjord, das 15 km inländisch, von der Tasmanischen See entfernt liegt, und von einem Gebirge dessen höchste Erhebung über 1500 m in die Höhe ragt, eingefasst wird. Der kühl gemäßigte Regenwald ist die Heimat einer großen Zahl einheimischer Pflanzen, Vögel und anderer Lebewesen. An den steil aufragenden Felswänden kämpfen  Buchenwälder und Podocarpus Bäume um festen Halt auf dem harten Fels. Ineinandergreifende Wurzeln stützen die Bäume bis verheerende Stürme und das Gewicht der wuchernden Pflanzendecke den wechselseitigen Halt sprengen. Die daraus entstehenden Baumlawinen können die ganze Vegetation vernichten. Es dauert wenigstens 70 Jahre bis der Wald sich wieder völlig regeneriert hat. Im Milford Sound fällt jährlich fast 7.000 mm Niederschlag, das ist fast das 10 fache des Niederschlags in Köln. Der Regen und die Schneeschmelze werden zu Bächen, Flüssen und Wasserfällen, die sich in das Fjord ergießen. Auf seinem Weg durch die Wälder nimmt das Wasser Gerbsäure und Nährstoffe auf, die die Wasseroberfläche braun färben. Die Schicht von dunkelbraunem Süßwasser ist häufig bis zu 6 m dick und treibt auf dem Salzwasser des Fjords. Da diese Schicht das meiste Licht absorbiert, herrscht in der Tiefe relative Dunkelheit. Aufgrund dieses Lichtmangels lebt eine große Anzahl seltener und ungewöhnlicher Lebewesen wesentlich dichter an der Wasseroberfläche des Fjord als sonst wo in der Welt.

Die Weiterfahrt nach Queenstown am nächsten Tag wird leider durch schlechtes Wetter beeinträchtigt, das auch die nächsten 2 Tage fortdauerte, so das mir die bedeutenste touristische Attraktion Neuseelands nur von der kulinarischen Seite in guter Erinnerung blieb. Seit 1. März hat der neuseeländische Herbst begonnen. Glücklicherweise wurde auf dem weiteren Weg über Wanaka nach Norden das Wetter wieder deutlich besser, sodass ich die landschaftliche Schönheit des Mount Aspiring National Park genussvoll entgegennehmen konnte. Ich war auf dem Weg ins Gletschergebiet von Franz-Josef und Fox Gletscher, in der Mitte der Südinsel an der Westküste gelegen. Obwohl der starke Schneefall in den Wintermonaten für guten Nachschub auf den Gletschern sorgt, sind nur diese beiden nahe genug an die unteren Waldregionen herangekommen, um sie auch zu Fuß relativ einfach zu erreichen. Im letzten Jahrzehnt waren dies 1,6 bzw. 1 km die beide Gletscher dem Tal näher gekommen sind. Der Franz – Josef Gletscher befindet er sich mit seiner Spitze jetzt auf 300 Höhenmeter.

Der letzte Abschnitt meiner Rundreise durch Neuseeland hat begonnen. Ich fahre über Punakaiki, mit seinen Pancake Rocks weiter nach Motueka in der Tasman Bay am Nordende der Südinsel gelegen und verbringe ein paar Tage in einer sehr schönen Lodge bevor die 48 Tage Neuseeland zu Ende gehen. Man soll mit seinen Bewertungen eigentlich bis zum Abschluss einer Reise warten, die in meinem Fall ja noch etliche Wochen geht - und das ist gut so - aber Neuseeland war schon sehr, sehr schön.

Ich überquere jetzt die Datumslinie, die Phileas Fogg dann doch noch seinen Erfolg gebracht hat, gewinne einen Tag und mache erst einmal Urlaub in der Südsee. Der Bericht von dort wird deutlich kürzer ausfallen – ich verspreche es.

 

E noho rā – Aotearoa

 

 

Jean Passepartout

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