Die Weltreise
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Australien
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Vor ca. 150 Millionen Jahren, nach hunderten von Millionen Jahren ereignisarmer Nachbarschaft, entschied Gondwana einen eigenen Weg zu gehen und sich von Laurasia zu trennen. Wir steigen also zurück in den „Brunnen der Vergangenheit“, aber nicht zu seinem tiefsten Grund, denn der liegt etwa 5.000 Millionen Jahre in der Tiefe, der Zeit als unser Sonnensystem entstand, aber immerhin 150 Millionen Jahre. Laurasia bildete die nördliche kontinentale Erdplatte.

Das heutige Südamerika, Afrika, Vorderindien, Australien und die Antarktis waren Teile der südlichen Erdplatte, Gondwana genannt. Doch das Loslösen von seiner nördlichen Schwester löste den Zerfallsprozess von Gondwana aus. Afrika entschied sich gegen den radikalen Weg nach Süden und versuchte den Kontakt zu Laurasia wiederzubeleben. Auch Vorderindien suchte den Verbleib im Norden und trieb mit einer Geschwindigkeit von 20 cm p.a. wieder auf Laurasia zu. Der unvermeidbare Anprall, ja „Prall“, denn 20 cm sind für große Landmassen eine hohe Geschwindigkeit, erfolgte vor 50 Mio. Jahre und führte zur Auffaltung des Himalaya, ebenso wie der Anprall von Afrika auf Europa zur Auffaltung der Alpen führte. Vor ca. 80 Mio. Jahren driftete Neuseeland nach Osten und ließ ein stark verkleinertes Gondwana zurück, von dem die Ablösung der Antarktis vor 45 Mio. Jahren dann Terra Australis dem Becken der südlichen Meere überließ.

Immer noch über eine kleine Landbrücke mit dem südostasiatischen Gebiet verbunden, erreichten vor etwa 50.000 Jahren die ersten Menschen Australien, die Aboriginies, die Ureinwohner dieses neuen Kontinents. Das Ende der letzten Eiszeit,, und der damit verbundene Anstieg des Meerwasserspiegels sorgte dann auch für ein Ende dieser Landverbindung. Gondwana war endgültig Geschichte und Australien Realität.


Der große Vorteil einer Reise um die Welt, ist die Portionierung der Entfernungen in besser verdaubare kleine Abschnitte. Trotzdem dauerte der Flug von Bangkok nach Sydney immer noch 8 Stunden. Passepartout hatte sich eine Woche Urlaub in Chiangmai, im Norden Thailands gegönnt um dann über Bangkok nach Sydney zu fliegen. Ja, Urlaub! Ich kann mir die spöttischen Kommentare in der eingewinterten Heimat schon vorstellen. Wie kann jemand, der acht Monate um die Erde reist, dann von einer Woche Urlaub sprechen. Nun, Urlaub hatte ich insofern, als mich in Nordthailand bewusst kein Programm erwartete und ich die Tage so gestalten konnte wie ich es für angemessen hielt, wobei ich in diesem Kontext dem Wort „angemessen“ gern das Synonym „faul“ gegenüberstellen würde. In Sydney traf ich Nadine, meine „Erstgeborene“, die nach einem bereits 24 Stunden langem Flug mit mir noch einmal dreieinhalb Stunden in das Zentrum des roten Kontinents, nach Alice Springs, fliegen musste. Wir hatten noch ein paar Tage Zeit, bevor Isabelle zu uns stößt, da die angehende Lehrerin erst am Abend des 23.Dezember, mit Beginn der Weihnachtsferien, das Flugzeug besteigen konnte und aufgrund der Flugzeit und der Zeitverschiebung dann schließlich am 25.Dezember Sydney erreichen würde.


Die Fahrt mit unserem Allrad Auto zum Hotel in Alice Springs, wo Nadine einen Teil ihres Jetlag aus den Gliedern schütteln soll, ist kein weiter Weg. Beim ersten Roundabount die dritte Ausfahrt wählen, parallel zum Fluss fahren, dann über die zweite Brücke und wir sind da. So jedenfalls die topographische Hilfestellung, die uns die Straßenkarte gab. Nach einigen Minuten Fahrzeit war immer noch kein Fluss zu sehen, bzw. das was wir unter einem Fluss verstehen: Wasser, das in einem durch Gesteinsformationen abgegrenzten Fließweg seinen Weg von einem höheren zu einem niederen Punkt sucht, wobei die Fließgeschwindigkeit durch den Höhen-unterschied und die Entfernung zwischen diesen beiden Punkten bestimmt wird. Der Groschen, bzw. der Eurocent fiel. Wir sind nicht parallel zum Todd River, sondern zu einem ausgetrocknetem Flussbett gefahren, das mit H2O versehen dann den Todd River bildet. Ein Wendemanöver, dann die nächste Straße links abbiegen. Wir fahren durch das Flussbett, auf einer sauber asphaltierten Strasse und sind auch schon am ersten Ziel unserer Reise. Das Hotel in Alice Springs, in der Mitte Australiens, wo es heiß, trocken und rot ist.

Alice Springs verdankt seinen Platz auf der Landkarte einer Telegraphenlinie, die von Adelaide über Darwin und die asiatischen Verbindungen bis nach London reichen sollte. Da die Strecke von Adelaide nach Darwin im tropischen Norden eine weitere Station auf halbem Wege benötigte entstand 1872  Alice Springs. Die Stadt ist heute im wesentlichen Anlaufpunkt für die vielen Outback Touristen, die von hier aus die McDonnell Ranges, die sich links und rechts der Stadt ausbreiten, in Angriff nehmen und auch weiter zum Ayers Rock durch die rote Wüste fahren. Man deckt sich mit Proviant und Wasser ein und macht sich auf den Weg. Ein Tag Alice Springs reicht.


Wir erledigen das meiste bei Woolworth. Ja, diese Marke gibt es in Australien noch, als Food Supermarkt, und sie scheint damit auch ganz erfolgreich zu sein. Der Einkauf von Alkohol kann nicht im Supermarkt erledigt werden, sondern muss in einem seperaten Bottle-Shop erfolgen. Ich kaufte zwei Flaschen Cabernet Sauvignon vom Baroso Valley und ein Sixpack Bier. An der Kasse wurde ich von einem freundlichen jungen Australier in Empfang genommen. „Hi mate, how has it been going ?“ Man muss sich an diese sehr persönliche und unkomplizierte Formulierung von Begrüßungsformeln gewöhnen. Eine Australierin an der Kasse einer Tankstelle empfing mich mit „Hi Luv, had a good day“ und verabschiedete mich „Good drive, all the best darling“. Nun bin ich weder der „mate“ von dem jungen Kassierer im Bottleshop, noch „Luv or Darling“ von der Kasiererin, bei der ich mir die Frage stellte welche liebkosenden Beinamen sie für die Menschen wählt, die ihr emotional wirklich nahe stehen, aber die Australier sind halt von einer einnehmenden Freundlichkeit, die ich in dieser Form bisher noch nicht erlebt habe. Dem jungen Kassierer antwortete ich gelassen höflich „I beg Your pardon“. „Your ID please mate, or passport or driving licence, something with Your photo as proof of identity“. Ich blickte ihn offensichtlich so verwirrt an, dass er erklärend hinzufügte „it is a law in Alice Springs, that everyone buying alcohol, has to identify himself“. Mein Versuch einer humoristischen An- merkung, dass „Beer, no alcohol but nourishment“ sei, wurde wenig verständnisvoll, in Anbetracht der Schlange, die sich hinter uns bildete, zur Kenntnis genommen. Da ich den Einkauf im Bottle-Shop für kein besonderes Ereignis erachtete, war jegliche ID im Hotel Safe verblieben. Nadine hatte ihren Pass aber dabei und so wurde das Kind, dass in seinem Leben noch keinen Tropfen Alkohol angerührt hat zum registrierten Beschaffer dieses Rauschmittels in Alice Springs.

Der Weg nach Westen Richtung Kings Canyon führt über gut asphaltierte Strassen. Die erwarteten Kängeruh Herden bleiben aus. Dafür sehen wir etliche Kamelherden, die hier wild leben. Sie sind keine Ureinwohner des Landes, sondern kamen vor etwas mehr als 100 Jahren aus Arabien nach Australien. Außerdem sind es eigentlich keine Kamele, sondern Dromedare, da sie einhöckrig sind. Links und rechts der Strasse rotsandiger Boden der mit Steinen und niedrigem Gestrüpp übersät ist. Nach einer halben Stunde erreichen wir Simpsons Gap, eine mächtige Schlucht, deren Quarzitwände einen schönen Rotton erzeugen. Wir kommen vorbei an Standley Chasm, einem Naturpark, der den Iwupatak Aboriginies gehört. Die 100m hohen Wände der Schlucht verengen sich zu einer etwa 10 m breiten Gasse, die auch diesen intensiven roten Farbton wiedergibt. Das Ellery Creek Big Hole, unser nächster Anlaufpunkt, ist ein ständig Wasserführender kleiner See, der bei 38 Grad Außentemperatur auch zu einer Abkühlung einlädt. Myriaden von Fliegen, die eine echte Plage sind, begleiten uns auf unserem Weg. Einige Besucher der Region sind mit speziellen Hüten ausgestattet, an denen ein Fliegennetz befestigt ist, um sich vor den Quälgeistern zu schützen. Während unseres gesamten Aufenthaltes im roten Zentrum von Australien haben uns die Tiere begleitet und man kann nur jedem Reisenden, der diese Region besucht den Tip geben, sich mit einem schützenden Hut auszustatten. Selbst das stärkste Antiinsektenspray scheint den Biestern nämlich nichts auszumachen. Wir nehmen Quartier im Glen Helen Resort, einer einfachen, aber liebevoll geführten kleinen Herberge.

Ein Sprung ins kühle Nass ist der richtige Beginn eines erneut sehr heißen Tages. Mercurius steigt schon früh am Morgen auf 30 Grad und wird zur Mittagszeit die 40 Grad Barriere brechen. Das kühle Nass finden wir am Ormiston Gorge, etwa 5 km vom Resort entfernt und ohne touristischen Andrang. Passepartout schwimmt allein im Regenwasser, denn daraus besteht der kleine See, in diesem sanften, erfrischenden und nicht zu kühlem Nass, das einem ob seiner dunklen Tönung jedoch den Blick in die Tiefe verweigert, und damit auf die Lebewesen, die sich sonst noch mit dem tollkühnen Aquanauten die Fluten teilen. Es sollen aber in dieser Gegend keine Süßwasser - Krokodile geben, sodass die Gefahren, die im Wasser lauern, auf den späteren Teil der Reise verschoben werden. In der Nähe des Resorts fließt der Finke River, ein kleiner Wasserlauf, der aber der älteste Fluss der Welt sein soll, der den Verlauf seines Flussbettes nicht verändert hat. An der Glen Helen Gorge, verbreitert sich der Finke River und bietet wiederum Gelegenheit zu erfrischendem Eintauchen für Nadine und mich.

Für die lukullischen Genüsse sorgt eine deutsche junge Köchin, die ihr Handwerk zwar nicht gelernt hat, aber sehr gut verrichtet. Ich folge meiner Gewohnheit, die landestypischen, manchmal sogar endemischen Tierarten auf meinem lokalen Speiseplan erscheinen zu lassen. Emu, Kamel und Krokodil haben den Anfang gemacht und alle den Gaumen von Passepartout verwöhnt. Insbesondere die Emu Wurst war delikat.

Am nächsten Tag geht es über die Mereenie Loop Road zum Kings Canyon. Jetzt befinden wir uns richtig im Outback. Wir fahren über rote Schotterstrasse hinein in die Wildnis. Bis zum Horizont rostiger, sandiger Boden der Spinifex Savanne. Unterwegs zeigt das Thermometer des Allrad Autos 44 Grad an. Bei den wenigen Stops die wir einlegen fühlt man die intensive Hitze, die trotz der geringen Luftfeuchtigkeit die Körperbewegungen belastet. Obwohl mit 9 Liter Wasser und ausreichendem Proviant ausgestattet würden wir nur ungern einen Reifenwechsel durchführen wollen. Das sparen wir uns (in der Tat) für eine andere Gelegenheit mit besseren logistischen Rahmenbedingungen auf. Nach 270 km und 4 Stunden Fahrzeit kommen wir im Kings Canyon an. Unterwegs sind uns 4 Autos begegnet, etliche Kamele und wilde Pferde, 1 Wallabie und ansonsten Einsamkeit. Ein Erlebnis der besonderen Art, auch wenn der Mangel an vielfältiger Fauna etwas traurig machte.

Wenn immer ich Gelegenheit zu einem Hubschrauberflug habe, der besondere Eindrücke verspricht, so nutze ich das Angebot. So auch am Kings Canyon, wo wir uns frühmorgens in die Lüfte erheben. Der Kings Canyon liegt im Wattarka National Park und ist eine grandiose weit über 200 m tiefe Schlucht, mit teilweise senkrecht abstürzenden Felswänden. Auf dem Plateau des roten Sandsteinmassivs sieht man in einer Einkerbung, quasi einer kleinen Nebenschlucht, den „Garten von Eden“ wo sich längs eines Bachlaufs üppiges Grün gebildet hat.

Der Weg zum Ayers Rock führt wieder über asphaltierte Strasse und ist schnell bewältigt. Der Fels, in der Sprache der Aboriginies Uluru genannt besteht aus rotem Arkose-Sandstein, ist knapp 350 m hoch und hat an seiner ovalen Basis einen Umfang von 9,4 km.


Für die Aboriginies ist der Uluru der Sitz ihrer gottgleichen Schöpferwesen und damit das Heiligtum der Ureinwohner schlechthin. In „Traumgeschichten“ der Aboriginies kamen die Schöpferwesen als Menschen zur Erde, schufen Tiere, Pflanzen, Berge und Meer, unsere Welt und verwandelten sich nach Beendigung der Schöpfung in Bäume, Sterne, Wasserlöcher, Berge oder andere Objekte in denen sie weiterleben. Da sie in unserer Umwelt nicht vergangen sind, sondern in anderen Formen weiterleben, sind auch die Traumgeschichten der Aboriginies unendlich und verbinden Vergangenheit und Gegenwart, Land und Leute. Terra Australis war ihr Land, bis die Engländer 1788 in Botany Bay landeten und der übliche Kolonisationseffekt über die Ureinwohner hereinbrach. Die neuen Herren brachten das Schwert und Kanonen, besetzten ihr Land, verbreiteten Krankheiten und „schenkten“ ihnen Alkohol. Etwa 300.000 Aboriginies lebten in Australien, als die Kolonialherren kamen. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts waren es noch ca. 90.000. Erst 1967 erhielten die Aboriginies die australischen Bürgerrechte. Die Mehrheit von ihnen lebt heute noch als Menschen zweiter Klasse, viele an der Armutsgrenze und als Alkoholiker. Die Personenerfassung beim Kauf von Alkohol in Alice Springs versucht zu verhindern, das die Sozialhilfe nicht ausschließlich für  den Konsum von Alkohol verwandt wird. Da etwa 30 % der Aboriginies dort im Northern Territory lebt, erhofft man sich hier die größte Wirkungstiefe. Es ist fraglich ob diese Maßnahme erfolgreich ist. Die Lebenserwartung der Aboriginies ist immer noch zwanzig Jahre niedriger als die der restlichen Bevölkerung. Einige der heiligen Stätten der Aboriginies u.a. Uluru wurde ihnen quasi zurückübereignet, ohne jedoch die volle Souveränität ihrer Entscheidungen mit zu delegieren. So ist die Besteigung des Uluru für die Ureinwohner ein Tabu. Tausende von Touristen machen sich aber jedes Jahr auf zum Gipfelsturm, ohne das die Ureinwohner dies verhindern können. Der zuständige Minister lehnt ein Verbot ab (so von mir live im australischen Fernsehen erlebt), da jeder dritte Besucher auf den Uluru klettert. Sollte diese Zahl mal auf zwanzig Prozent sinken, könnte man darüber nachdenken. Welch ein Zynismus. Man gibt den Ureinwohnern das Heiligste was sie haben zurück, und hindert sie daran es zu schützen.

Anders als der Uluru, der als Monolith in die Höhe ragt, sind die Kata Tjutas ("viele Köpfe" oder "Olgas") ein Massiv aus 36 Felskuppeln, die etwa 40 km vom Uluru entfernt sind. Der Hubschrauberflug war wieder sehr früh morgens, da wir eine Unwetterwarnung erhielten, und tatsächlich öffneten sich am Nachmittag die Schleusen eines Taifunausläufers, der von Nordwest über den Kontinent zog. Gelegentlich gibt es doch Niederschlag, der dann aber so heftig ausfällt, das er Überschwemmungen mit sich bringt. Die Warnungen sind an vielen Überlandstrassen zu sehen, wo auch Messstäbe aufgestellt sind um die Überflutungstiefe abzulesen, falls man doch eine vom Wasser überströmte Strasse passieren möchte. Dieser Taifunausläufer war auch der Grund für die einzige Verspätung, die ich auf meiner bisherigen Reiseroute hinnehmen musste. Wir machten uns zwei Stunden später nach Sydney auf den Weg, am 24.Dezember gegen Mittag, wenn man sich in Deutschland bei kalten Temperaturen so langsam auf die Bescherung freut.


Weihnachten in warmen Gefilden ist einfach nicht das Gleiche. Nadine und ich hatten ein gutes Abendessen im Roof-Restaurant des Hotels mit einem prachtvollen Blick auf Downtown Sydney mit Harbour Bridge und Oper, während die Jüngste über den Wolken in unsere Hemisphäre geflogen wird und pünktlich frühmorgens mit dem üblichen Knalleffekt im Zimmer steht.

Wenn wir uns auf Stadtbesichtigung begeben, so beginnen wir meistens mit einer Rundfahrt, weil man dadurch einen guten Gesamteindruck der Stadt gewinnt und so hüpfen wir denn geschwind auf einen hop-on hop-off Bus, der wie sein Name schon besagt einem jederzeit die Möglichkeit gibt auszusteigen und später die Fahrt wieder fortzusetzen. Vorbei am Opera House, Sydney Harbour Bridge, Darling Harbour, Sydney Aquarium, Town Hall, The Rocks und anderen Sehenswürdigkeiten, bekommen wir einen ersten Eindruck dieser schönen Stadt. Sydney ist mit 4,4 Millionen Einwohnern, die auf etwas mehr als 2.100 qkm leben die größte Stadt Australiens und auch das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes, immer im Wettstreit mit Melbourne, die diese Hervorhebungen gar nicht gerne hören.

Captain Cook landete 1770 bereits in Botany Bay und nahm das Land unter dem Namen New South Wales in Besitz der englischen Krone, aber Captain Arthur Philip errichtete am 26.1.1788 am Sydney Cove die erste Siedlung. Da die Engländer relativ zeitgleich aus den USA rausgeschmissen wurden, brauchten sie eine Alternative für ihre Strafgefangenen, und die war mit Australien gefunden. Mehr schien man der neuen Kolonie nicht zuzutrauen. Arthur Philipp gründete also eine Strafkolonie in Australien weitab von der Heimat. Guantanamo hat also durchaus seine historischen Vorbilder. Das alles hindert die Australier nicht den 26.1. besonders zu zelebrieren - als Nationalfeiertag „Australia Day“.

Die Bustour führt uns auch zu einigen Stränden von Sydney unter anderem Bondi Beach, das durch die Veranstaltung des olympischen Beach Volleyballturniers weltweite Bekanntheit erreichte. Hier wurde Weihnachten gefeiert, auf australische Art. Tausende weihnachtlich, aber auch durchaus karnevalistisch verkleidete junge Menschen ließen sich die Weihnachtsfreude durch das mit 20 Grad ungewöhnlich kühle Wetter für diese Jahreszeit nicht verleiden. Das Verkleiden scheint übrigens für die australische Jungweiblichkeit kein gelegentliches Spaßereignis sondern zum "way of life" zu gehören, wobei sie wahrscheinlich meine Definition von "Verkleiden als Kostümierung" eher das angelsächsische „dress up“ gegenüberstellen, nämlich das „Herausputzen“ für einen bestimmten Zweck. Wie dem auch sei, die jungen Damen tragen grundsätzlich eine Konfektions- und Cupgröße zu klein, wobei letzteres scheinbar auch noch von unterstützenden Hilfsmittel begleitet wird, offensichtlich mit der Absicht möglichst viel nacktes pralles Fleisch, nicht etwa der mörderischen australischen Sonne, sondern den Blicken des anderen Geschlechts zu präsentieren in der offensichtlichen Hoffnung das sich vielleicht ein erotischen Regenbogen spannen wird.

Am zweiten Weihnachtstag scheint Asien die Haupteinkaufsstrasse von Sydney zu besetzen. Ich habe noch nie so viele Chinesen, Taiwanesen oder Japaner auf einem Fleck, außerhalb ihres Heimatlandes gesehen. Ein Geschubse und Gedrücke, ein Rempeln und Stoßen wie sonst nur dort zu erleben ist. Christmas Sale heißt das magische Wort, der große Rabattkrieg des Nachweihnachtsfestes hat in der George Street begonnen. Schlangen bilden sich an ausgewählten Markengeschäften, als ob in Zukunft keine Luxusprodukte mehr käuflich zu erwerben sind. Für Passepartout war das nun nicht der Zeitvertreib, den er sich erhofft hatte, und die Freude war nicht zu verheimlichen, als man den Ort des Kampfkaufes verlassen konnte.

Das Abendessen im „Summit“ machte alles wieder wett. Aus dem, sich um die Achse drehende, Restaurant in der obersten Etage eines Hochhauses, in der Innenstadt, hat man einen wunderbaren 360 Grad Blick auf die farbig glitzernde Stadt. „Sydney leuchtet“ und das auch noch bei sehr guter Speisequalität.

Wie der Zufall es so will, so trifft man an allen Ecken dieser Welt Menschen, die man kennt. Seit 40 Jahren bin ich mit Anne und Klaus, die heute in Portugal leben, befreundet. Durch den weihnachtlichen Email - Verkehr ergab sich, das beide zur gleichen Zeit, in der wir in Sydney waren, ihren Sohn Benjamin, der seit einigen Jahren dort lebt und arbeitet, besuchen. Also am 27.12. freudiges Wiedersehen in seiner Wohnung, die in Manly, einer Halbinsel im Norden der Stadt schön, direkt am Strand, gelegen ist. Der einfachste Weg dorthin ist die Fähre, die uns in einer halben Stunde vom Circular Quay  in den Norden Sydney`s brachte. Es gab viel zu erzählen und das bei ausgezeichnetem Essen. Anne und Klaus haben wirklich Kochtalent und würden wahrscheinlich im tiefsten Dschungel mit nur wenig Zutaten ein Festmahl hinzaubern können.

Am folgenden Tag haben wir den nächsten Wagen übernommen und uns auf den Weg nach Canberra der Hauptstadt von Australien gemacht. Die Federation of Australia als Teil des Commenwealth of Nations entstand 1901, als sich die sechs Teilstaaten New South Wales, Victoria, Tasmania, Queensland, Western Australia und South Australia zusammenschlossen. Eine Hauptstadt wurde gesucht. Melbourne war damals mit Abstand die größere Stadt, aber Sydney war historisch bedeutender und Hauptstadt des größten Bundesstaates. Wie meistens in diesen Fällen hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt, nämlich Canberra. Eine Hauptstadt, die heute etwas über 300.000 Einwohner beherbergt, auf dem Reissbrett entstand und erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts vollendet wurde. Die Weiterfahrt führt uns über die Snowy Mountains, dem beliebtesten Skigebiet Australiens, mit seinen sanften Hügelketten und abgerundeten, bewachsenen Gipfeln an die Südküste, um von dort am nächsten Tag nach Melbourne zu gelangen. Die Stadt ist mit knapp 4 Mio. Einwohner nur ein wenig kleiner als Sydney und hatte ihre Blütezeit in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts als die Goldfelder von Ballarat und Bendigo die Wirtschaft prosperieren ließ. Von den vielen prachtvollen Bauten ist aber nur das Exhibition Building zur großen Ausstellung 1880 übriggeblieben, das seinerzeit als ein modernes Weltwunder galt und auch heute Weltkulturerbe der UNESCO ist.

Die Stadt ist vernarrt in den Sport. Die ersten Olympischen Spiele auf australischem Boden wurden 1956 in Melbourne ausgetragen. Die Australian Open im Tennis und der Australian Grand Prix finden hier statt und insbesondere das Grand Final im „Football Australian Rules“ einer wilderen Art des Rugby ist fast ein Religionsersatz. Nicht vergessen dürfen wir das Kolonialerbe, nämlich Cricket. Das größte australische Cricket Stadium der Melbourne Cricket Ground fasst 100.000 Besucher. Während unseres Aufenthaltes fand das Test Match zwischen Australien und Pakistan statt. Ein Testmatch ist ein fünftägiger Wettkampf zwischen zwei Nationalmannschaften, die im wesentlichen aus den ehemaligen Kolonialgebieten der Engländer stammen.

Ich weiß, das in Deutschland für dieses Spiel wegen der vermeintlich so schwierigen Regeln wenig Verständnis aufgebracht wird, wobei sie bei näherem Hinsehen gar nicht so diffizil sind. Es gibt wie im Fußball zwei Mannschaften mit je 11 Spieler und zwei Toren, die zu verteidigen sind, bzw. die man angreift. Diese Tore sind nun deutlich kleiner als im Fußball und bestehen aus drei Holzstäben mit einer Höhe von etwa 70 cm die im Abstand von etwa 11 cm voneinander an beiden Enden der „Pitch“, die eine Länge von etwa 20 m und eine Breite von ca 4 m hat, positioniert sind. Die „Playing Area“ eines Cricket Feldes beträgt etwa 140 - 150 m im Durchmesser, dessen Ende durch ein Seil begrenzt wird (Boundry). Anders als im Fußball sind nicht beide Mannschaften mit allen Spielern auf dem Spielfeld, sondern nur das angreifende Team ist mit seiner Elf vollzählig auf dem Grün, während von der verteidigenden Mannschaft jeweils zwei Spieler die beiden Tore (wickets) verteidigen. Wie im Fußball benutzt die angreifende Mannschaft einen Ball, der deutlich kleiner als im Fußball ist, während der Verteidiger einen „Bat“ einen hölzernen Schlagstock mit breiter Schlagfläche benutzt um den Ball abzuwehren. Ziel der angreifenden Mannschaft ist es, mit dem, mit der Hand geworfenen, Ball den wicket zu treffen. Gelingt dies, so ist der Batsman der verteidigenden Mannschaft „out“ und muß das Feld verlassen. Wenn 10 der elf Spieler der verteidigenden Mannschaft out sind so ist der Spielanschnitt (Innings) für sie beendet. Ebenfalls out ist ein Spieler, wenn der von ihm abgewehrte Ball von einem Spieler der angreifenden Mannschaft gefangen wird, ohne das der abgewehrte Ball vorher den Boden berührt hat. Das Ziel der verteidigenden Mannschaft ist es möglichst viele „runs“ zu sammeln, d.h. die Strecke (20 m) zwischen den beiden Wickets zu laufen, was einen Punkt ergibt. Man kann mehr als einen Punkt nach einem Verteidigungsschlag erzielen, wenn man den Lauf fortsetzt, wobei die Verteidiger aufpassen müssen, das die Angreifer mit dem eingesammelten Ball nicht den Wicket treffen, ohne das ein Verteiger sich in der Verteidigungszone aufhält. Sollte der Ball über die Boundery rollen, so gibt es vier Punkte, wird er über dieselbe geschlagen ohne vorher den Boden berührt zu haben, so sind sechs Punkte eingesammelt. Wenn die Angreifer das verteidigende Team „ausgebowlt“ haben, also 10 von 11 Spielern out sind ist das „Inning“ vorbei und die Aufgaben werden gewechselt, die Angreifer werden zu Verteidigern und umgekehrt. Jedes Team spielt zwei Innings. Am Ende werden die Punkte zusammengezählt. Das Team mit den meisten Punkten (runs) hat gewonnen. Das Test-Match ist auf fünf Tage begrenzt. Sollten  durch Regenfälle die Innings nicht zu Ende gespielt werden können, so ist das Spiel unentschieden. Das ein Spiel nach fünf Tagen noch unentschieden sein kann war für die Amerikaner der Grund Baseball zu erfinden.

Ich habe eine Variante vergessen, wie ein Verteidiger „out gebowlt“ werden kann und ich will das anhand einer realen Spielsituation erläutern.

Pakistan verteidigte gegen Australien im ersten Innings und hat schon drei seiner Besten für wenige runs (Punkte) verloren. Der pakistanische Kapitän, ein hochgewachsener dunkelhäutiger Hüne, dessen schwarzer Backenbart mächtig aus seinem Schutzhelm quillt, steht leicht geduckt vor seinem Wicket in Erwartung des dämonischen Bowlings des blonden australischen Angreifers, der seinen drei Mannschaftskameraden bereits den Garaus gemacht hat. In gespannter Erwartung schlägt er sichtlich aufgeregt mit seinem bat (Schlagstock) auf die Pitch. Der Australier geht zu einem Punkt des Playing Fieldes, der bestimmt 30 m von der pitch entfernt ist. Ganz in weiß gekleidet, mit langarmigen Oberhemd und langer Hose trotzt er der Hitze im Oval des Melbourne Cricket Ground. Er dreht sich um und blickt auf seinen Gegner der in 50 m Entfernung auf ihn wartet. Der Anlauf verzögert sich. Er nimmt den roten Spielball aus Leder in seine rechte Hand und betrachtet ihn sorgfältig. Er blickt unzufrieden auf sein Spielgerät und führt den Ball auf seine von der weißen Leinenhose bedeckten Lendengegend und beginnt mit großer Geschwindigkeit den Ball zu reiben, in einer Virtuosität und einem Stakkato, das man um die Kostbarkeiten der südlichen Hemisphäre des männlichen Körpers durchaus besorgt sein musste. Das Ritual ist beendet, die Gesichtszüge verändern sich zu einem erleichterten und zufriedenem Lächeln. Er nimmt Anlauf, erst gemachen Schrittes, die dann immer schneller werden und unseren blonden Australier sich schnell der Abwurflinie nähern läßt. Der Ball löst sich aus der Hand, die ihn kunstvoll mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger umfasst hatte. Sein Flug wird nur durch den Aufprall im letzten Drittel des wickets gebremst um seinen Weg in Richtung des pakistanischen Kapitäns zu finden. Das dumpfe Geräusch eines Anprall war klar zu vernehmen. Wildes Geheul von Seiten des australischen Teams, das sich schnell auf die australische Zuschauermenge übertrug. Der bowler, unser blondgelockter Jüngling, hat sich umgedreht, ist in die Hocke gegangen und fleht den Umpire, diesen dunkelbraunen, gut beleibten älteren Herrn aus Sri Lanka mit schriller Stimme an. Was war geschehen? Die Holzstöcke standen aufrecht an ihrem Platz. Der Ball wurde von dem Pakistani nicht getroffen, sondern er landete mit großer Wucht, die ja auch akustisch vernehmbar war am Schienbeinschoner des Kapitäns. Das Flehen ist ins Jammern übergegangen. Der Umpire, der Rhadamantis des Spiels, blickt ruhig auf das Spielfeld und dann ganz langsam, zögerlich auf seinem Weg nach oben, noch reflektierend, erhebt sich der Finger des Dicken um schließlich ganz in die Höhe, in das hellblaue Firmament von Melbourne gestreckt zu werden. „Out for lbw!“ Die Menge rast, die australischen Spieler liegen sich in den Armen. Das Haupt des pakistanischen Kapitäns neigt sich langsam auf die Brust. Sein dunkelschwarzer Backenvollbart quoll noch stärker durch die Armierung des Schutzhelmes nach außen. Ganz allein ging er gesenkten Hauptes, unter dem tosenden Jubel der 60.000 an den australischen Spielern vorbei zu seiner player lounge. Aus, vorbei! Die letzte pakistanische Hoffnung ist out. Lbw for 64. Brot und Spiele!

Womit die letzte Möglichkeit sich eines Verteidigers zu entledigen erklärt ist. Wenn ein Ball den Schoner des Verteidigers trifft und ohne durch diesen behindert zu sein den wicket getroffen hätte, so ist der Verteidiger „out for lbw“ (leg before wicket). Die Entscheidung hierüber trifft der umpire.

Auch in Melbourne ging es wieder auf den hop-on und hop-off Bus, der, anders als in Sydney, ebenso kostenlos zu benutzen ist wie die City Circle Tram. Vorbei an den Highlights, die Melbourne zu bieten hat: Federation Square, Royal Exibition Center, Queen Victoria Market, Docklands etc.. Ganz anders als Sydney war Melbourne mit 38 Grad sehr heiß, was auch an Sylvester ein kräftiges Donnerwetter auslöste, das sich aber rechtzeitig wieder verzog, um dem obligaten Feuerwerk zum Jahreswechsel seinen Raum am Himmel zu geben.

Am Neujahrstag erwartete uns ein langer Reisetag. Die 300 km lange Great Ocean Road und weitere 200 km bis Mount Gambier. Die Great Ocean Road ist nicht zu Unrecht Australiens Vorzeige-Küstenstraße. Als 1918 die Truppen des Landes von den Schlachtfeldern Europas zurückkehrten fehlte es an Arbeitsplätzen. Deshalb wurde diese Straße an der wilden Küste südwestlich von Melbourne gebaut. Dadurch wurden einige der populärsten Seebäder an der Südküste und einige Sehenswürdig-keiten wie die „Zwölf Apostel“, jene bis zu 100 m hohen 8 Felssäulen, die in der Brandung vor der Steilküste stehen, erschlossen. Ob es mal 12 waren, wie der Name sagt ist nicht bekannt, aber erst 2005 stürzte wieder eine Säule als Folge der dauernden Erosion ein. Insgesamt 8 ½ Stunden hat die Fahrt über Küstenserpentinen gedauert, zum Glück konnte ich mich beim Fahren mit Nadine und Isabelle abwechseln.

Als Mitglied im Commonwealth war Australien auf zahlreichen Schlachtfelder weitab der Heimat engagiert. Im 1. und 2. Weltkrieg, im Koreakrieg, im Vietnamkrieg und in beiden Irakkriegen, Australien stand – nolens, volens - immer getreu zur Krone. Und wer weiß, was aus der Karriere Churchills geworden wäre, wenn die 8.000 australischen Gefallenen vor Gallipoli, als die Türken Churchill den Hosenboden versohlten, zusätzliche englische Truppen gewesen wären.

Der nächste Morgen bringt eine Überraschung – ein Plattfuß. Nun kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wann Passepartout eigenhändig einen Reifen gewechselt hat, es ist aber sicherlich schon Jahrzehnte her. Auch meine beiden Grazien machten keine Anstalten, hier dem alternden Vater zur Hand zu gehen. Ich fragte deshalb den Hotelmanager, ob denn ein Automobilclub oder eine lokale Werkstatt  helfen könnte. „They will charge You a fortune“ war die Antwort, „I will do it“ und machte sich an die Arbeit, die in einer Viertelstunde auch beendet war. Als ich ihm einen Teil des gesparten „Vermögens“ als Dankeschön anbot, wurde dies brüsk abgelehnt. Australische Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft par Excellence.

Es ging weiter nach Cape Jarvis dem kleinen Hafen südlich von Adelaide, von dem aus wir dann am nächsten Morgen nach Kangeroo Island übersetzen sollten. Als wir zwei Zimmer zur Übernachtung zugeteilt bekamen, brach unverholener Jubel bei meiner Weiblichkeit aus. Unverständig fragte ich nach dem Grund für diesen Freudenausbruch. Nun meine Geräusche würden nachts gelegentlich schon stören. Meine Geräusche? „Na,ja, du schnarchst“.

Schnarchen entsteht in den Atemwegen. Manchmal pfeift es in der Nase, weil die verstopft oder zu eng ist. Oft aber ist das Gaumensegel schuld. Das hängt hinten im Rachen und sorgt dafür, dass Essen und Getränke nicht in die Nase geraten. Es ist der rosafarbene Schleimhautlappen, an dessen unterem Ende das Zäpfchen hängt. Ist das zu lang oder zu schlaff, flattert das Segel nachts im Wind des Atems - der Mensch schnarcht. Im Schlaf sind die Muskeln entspannt, die beim Wachsein die Atemwege offen halten. Je älter man wird, umso schlapper wird die Muskulatur, auch die im Rachen. Und je schlabbriger das Gewebe, desto eher weht es nachts in der Atemluft. Und wegen dieses einfachen und verständlichen Vorgangs, der bei einem älteren Menschen unvermeidlich ist, wird man ausgestossen, bzw. die Tatsache der Aussonderung mit einem gewissen Frohsinn zur Kenntnis genommen. Leicht beleidigt, drehe ich mich um und schlafe ein.

Kangaroo Island ist 150 km lang und gut 30 Kilometer breit, und ist die drittgrößte Insel Australiens. Gerade einmal 16 Kilometer liegt sie vom Festland entfernt. Fast ein Drittel der Inselfläche wird von Nationalparks und anderen Naturschutzgebieten eingenommen. Hier findet man die größte Kolonie australischer Seelöwen. Kängeruhs, die der Insel den Namen gegeben haben und Kooalas sollen ebenfalls häufig vorkommen, die einzigen, die wir aber zu Gesicht bekamen, waren in einem Tiergehege. Dies war trotzdem ein sehr schönes Erlebnis, da viele Tiere Handzahm waren und wir auch ein Muttertier mit einem Jungtier, das verschmitzt neugierig aus dem Beutel linste, sehen konnten.

Die Fahrt nach Adelaide am nächsten Tag nahm nur kurze Zeit in Anspruch. Eine weitere Stadt am Meer mit einer Hochhausbebauung im Zentrum und kleinen meistens einstöckigen Einfamilienhäuser und Geschäftshäuser in den Outskirts. Früh am nächsten Morgen galt es Abschied zu nehmen. Die Kinder flogen über Sydney zurück in die Heimat und ich ins tropische Townsville an die Nordostküste des Landes. Es war schön nach dieser doch langen Zeit fernab der Heimat, die Familie für ein paar Wochen um sich zu haben.

Die Coral Princess ist ein 35 m langer Katamaran mit 27 Kabinen und 12 Crewmitglieder. Die dreitägige Fahrt führte von Townsville nach Cairns über das Great Barrier Reef mit zahlreichen Schnorchel- und Tauchausflügen. Die Passagiere kamen aus 11 verschiedenen Länder von Schweden über Dänemark bis England, von USA über Südafrika nach Reunion, allesamt Wasserratten, die sich auf die Unterwasser- welt des Riffs freuten.

Nun ist die australische Nordostküste bekannt für ihre besonders giftigen Bewohner, und die Expeditionsleiterin wies uns auch ganz zu Beginn in einem Vortrag darauf hin. Da sind einmal 15 verschiedene Seeschlangen, die hier vorkommen und deren Gifte alle für den Menschen tödlich sind, obwohl sie überhaupt nicht aggressiv sind. „Keine Hektik entfalten selbst wenn sie sich um ein Bein schlängeln sollten. Ich gebe hier die Aussage der Expeditionsleiterin wieder, mir sind nämlich zum Glück keine begegnet. Ob man wirklich dann diese Ruhe an den Tag legt bleibt abzuwarten. Die Blaugeringelte Krake, jedermann bekannt aus James Bond`s „Octupussy“, hat einen gelblichen Körper mit blauen und schwarzen Ringen und ist von kleinem Wuchs, das Gift ist aber eines der tödlichsten aller Meerestiere. Vorsicht walten lassen beim Berühren der Korallen. Die Kegelschnecken haben eine konisch geformten farbenreichen Körper und sind deshalb häufig das Objekt der Sammlerbegierde. Die harpunenartig geformten kleinen Zähne der „Cone Shell (snail)“ können selbst durch Taucheranzüge dringen und ein häufig tödlich wirkendes Nervengift injizieren.

Doch das gefährlichste Tier am Riff ist der Box Jelly Fish, die Seewespe, eine Quallenart. Der Schirm der Qualle hat meist die Form eines Würfels mit abgerundeten Kanten, von dem sich auch ihr Name ableitet. An den vier Kanten des Schirmes befinden sich einzelne oder ganze Bündel von Tentakeln. Sie gilt als das giftigste Meerestier der Welt. Das Gift ihrer Nesselzellen, in den 3 Meter langen Tentakeln, kann 200 Menschen töten. Weltweit werden jährlich bis zu 70 Todesfälle bekannt, die auf das Konto dieser Nesseltiere gehen. Hinzu kommen 20.000 leichtere Unfälle, die allein an australischen Küsten gezählt werden.

So, nun wissen wir alles, da kann ja nichts mehr schief gehen. Für die Tauch- und Schnorchelausflüge hat die Coral Princess immer an kleineren Riffabschnitten geankert, ließ dann ihre Tauchplattform ins Wasser ab, von der aus man bequem ins blaugrüne Nass gleiten konnte.

Welch eine Pracht! Gelbbraune und türkisfarbene Anemonen wehen im sanften Strom der Gezeiten, wie Ährenfelder die der sanfte Windhauch in der gleißenden Sommersonne in Bewegung setzt. Die Anemonenpracht schwebt über bleichbraun und ocker gefärbten Pilzkorallen, rotlila leuchtende Hornkorallen, deren zartgliedrigen Äste so zerbrechlich wirken. Filigrankorallen erheben sich vom Boden, wie junge Geweihe mit ihrer runden abgestumpften Form und einem zarten Flaumbewuchs. Sie stehen neben Seefedern, die sich im dezenten olivgrün in einer Girlandenform nach oben strecken. Und dazwischen die beweglichen Bewohner des Riffs. Schmetterlingsfische in gelbgrauer oder hellblau und oranger Färbung picken mit ihren nach außen gewandten Mündern in den Boden, auf der Suche nach Würmern, Polypen und anderem Kleingetier. Ein kleiner Schwarm in grellem „Yves Klein“ Blau gefärbter Mirakelbarsche zieht geschwind vorbei, während ein Imperator Kaiserfisch, blaugestreift auf gelbem Grund und mit einer schwarz weißen Spirale am Schwanzende gemächlich zwischen den Anemonenfeldern dahin gleitet. Eine prachtvolle Symphonie der Farben.

Auch ein langsam sich durch das hellblau türkise Wasser schlängelnder Riffhai kann das friedliche Ambiente nicht stören. „Wenn Sie einem Hai begegnen schwimmen Sie nicht weg, sondern auf ihn zu“, so lehrte es unsere Meeresbiologin, und mit kräftigem Flossenschlag, setzte Passepartout mutig das Gelernte in die Praxis um. In der Tat, der Schrecken der Meere machte kehrt und wandte sich sicheren Gewässern zu, von der Tollkühnheit Passepartouts in die Flucht geschlagen.

Gelegentlich wurde von der Tauchplattform aus mit Fischstücken unsere Unterwassernachbarn angelockt, um meeresbiologische Wissensvermittlung am lebenden Beispiel zu praktizieren. Auch Wally, ein 1,00 m mal 1,20 m großer, blaugrün oliv gezeichneter Lippfisch kam, der mit dieser Prozedur offensichtlich gut vertraut war, und sich gerne streicheln ließ. Diese vier Tage am Great Barrier Riff waren sicherlich ein Highlight dieser Australienreise. Ein kleiner Schrecken am letzten Tag. Eine junge Amerikanerin kam in Berührung mit einem Box Jelly Fisch, trug aber nur kleine Verletzungen davon, auch aufgrund der sofortigen Hilfe, die geleistet werden konnte.

In Cairns, im Norden von Queensland, war die Reise mit der Coral Princess zu Ende. Cairns ist die touristische Metropole des tropischen Nordosten, die aber wenige Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Das Klima, das mich umfing war schwülfeucht und stellte jeden Augenblick einen kräftigen, tropischen Regenguss in Aussicht. Die Fahrt im gemieteten PKW führte mich vorbei an tropischem Regenwald über Townsville, nach Airlie Beach. Diese, Zweitagesstrecke über den gut ausgebauten Bruce Highway, der mit einer nicht mehr so guten Bundesstrasse in Deutschland vergleichbar ist, war arm an Höhepunkten. Hier ist die Zuckermetropole des Landes, woran man schon durch die gelegentlich die Strasse kreuzenden Cane Trains erinnert wird. Airlie Beach ist weniger geeignet für einen erholsamen Badeurlaub, da auch hier der Box Jelly Fisch von September bis März ein schutzloses Badevergnügen unmöglich machen. Landschaftlich ausgesprochen reizend sind die vor der Küste gelegenen Whitsunday Islands, die mich auch zu einem Bootstrip zu Long Island und Dream Island verleiteten. Von den 74 Inseln des Archipels sind übrigens nur 7 bewohnt. Der Name ist auf das Entdeckungsdatum durch Captain Cook, Pfingsten 1770, zurückzuführen. Es geht weiter nach Rockhampton, knapp 500 km weiter südlich gelegen, auf der Höhe des Wendekreises des Steinbocks, der die Südgrenze der tropischen Klimazone bildet. Rockhampten ist das Zentrum des australischen Viehhandels. Das satte Grün der Zuckerrohrplantagen wird verdrängt von trockener Savanne und lichtem Eukalyptusbewuchs. Ich gelange nach Hervey Bay, von wo aus am nächsten Tag nach Fraser Island übergesetzt wird.

Es gibt einige Felsformationen auf Fraser Island, aber im wesentlichen besteht die 123 km lange und bis zu 25 km breite aus Sand. Fraser Island ist die größte Sandinsel der Welt. Der Sand entsteht aus der Verwitterung der Great Dividing Range, die im Osten und Süden des Kontinents den fruchtbaren Küstenstreifen vom Outback trennt. Der Sand wird südlich von Fraser Island durch die Flussläufe in den Pazifik gespült und gelangt dann durch die Meeresströmung nach Fraser Island. Die Fahrt über die Insel ist nur mit einem Allrad Auto möglich, das einen an wunderschönen Dünen, die neben tropischem Regenwald ihren Weg finden, vorbeiführt. Es gibt ca. 40 Süßwasserseen, der schönste ist wohl Lake McKenzie und einen 75 Meilen langen Sandstrand, der bei Ebbe fest, glatt und gut befahrbar ist. Von diesem Strand aus erhebt sich Passepartout mal wieder in die Lüfte, diesmal nicht mit einem Helikopter, sondern einer Cessna, die von diesem Sandstrand aus gestartet und auch tatsächlich wieder gelandet ist. Ein eindrucksvoller Überblick über die Mischung aus goldgelber Dünenlandschaft und saftig grünem Regenwald.

Nach der Rückkehr auf das Festland führt mich mein Weg weiter über Noosa, das malerisch an vielen kleinen Buchten liegt und eine mondäne Atmosphäre, wie an der Cote d’Azur, verströmt, bis nach Brisbane, das zwischen Sunshine Coast und Gold Coast gelegen ist. Brisbane, wie alle großen australischen Städte, die ich besucht habe, liegt am Wasser (Brisbane River), hat eine Hochhausbebauung im Zentrum, einige koloniale Reminiszenzen die sorgfältig gehütet werden und hat in den Vororten flache Bebauung aus Wohn- und Geschäftshäuser. Die Ausnahme ist Canberra, die Reißbrettstadt.

Der Weg in den Lamington National Park führt mich über Surfer’s Paradise, nicht weil das aus logistischen Gründen notwendig ist, sondern weil mich die Neugierde treibt, ob denn alle Schreckensmeldungen über die Verunstaltung der Küste, sich nicht vielleicht doch von Übertreibungswahn haben treiben lassen. Durchaus nicht. Welche Katastrophe! Frankfurt ist im Vergleich zu Surfer’s Paradise eine Mini Enklave für Hochhausbauten. Eine riesige Bettenburg nach der anderen, und daneben mit die schönsten Strände die Australien vorweisen kann. Zum Glück darf ich ins Hinterland ausweichen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Um auf das O’Reilly Plateau zu kommen, muss man 1.000 Höhenmeter in einer ca. 35 km langen Serpentinenfahrt überwinden. Mitten im Regenwald befindet sich hier eine rustikal komfortable Lodge, von der aus man eine atemberaubende Sicht auf das grüne Dach des Regenwaldes hat. Und wer will, kann das Gebiet auf einem 160 km langem Wanderwegenetz durchstreifen. Hier gab es auch endlich das zu sehen, was den Kindern leider verborgen blieb. Kängeruhs in reichlicher Anzahl und in freier Wildbahn kommen in der Dämmerung ganz nah an die Unterkunft heran. Es wurde auch höchste Zeit bei 50 Mio. Kangeruhs, die in Australien ihr Unwesen treiben, sprich alles kahl fressen, und so zum Feind der Bauern geworden sind.

Übrigens habe ich in der Zwischenzeit Queensland hinter mir gelassen und bin in New South Wales angekommen, am östlichsten Punkt des Kontinents in Byron Bay, einem hübschen, kleinen Urlaubsort, dessen größte touristische Attraktion der Leuchtturm ist, der eben diesen Punkt markiert. Über Coffs Harbour und Port Macquarie fahre ich ins Hunter Valley, das neben dem Barosa Valley in der Nähe von Adelaide das berühmteste Weinanbaugebiet Australiens ist, und wo über 80 Weingüter ihre Reben anbauen, um daraus Rot- und Weisswein zu gewinnen. Chardonnay, Riesling und Sauvignon Blanc als weiße Trauben, sowie Merlot, Cabernet und Syrah  werden hauptsächlich geerntet.

Der letzte Stop vor Sydney wird Leura in den Blue Mountains sein. Ich nehme nicht die Strecke an der Küste entlang, sondern fahre durch die Eukalyptus Wälder. In wenigen Kilometer Entfernung vom Hunter Resort, wo ich übernachtete, werde ich mit einer Mondlandschaft konfrontiert. Hunter Valley ist nicht nur ein Weinanbau-, sondern auch ein Kohlenabbaugebiet und zwar das größte Steinkohlenabbaugebiet im Tagebau. Wie soll der deutsche Steinkohlebergbau unter diesen Wettbewerbs-bedingungen auch jemals international Anschluss halten können!

Die Entscheidung durch die Berge zu fahren war richtig. Eine landschaftlich sehr schöne Route. Kurz vor dem Ziel wütete ein schweres Gewitter, das den Himmel für strahlenden Sonnenschein und klaren Blick auf die Blue Mountains am nächsten Tag, freiräumte. Den Namen verdanken sie einem blauen Schleier ätherischer Öle, der gelegentlich über den Eukalyptuswäldern liegt. Rund um Leura, Katoomba und Wentworth Falls hat man bezaubernde Aus- und Einblicke in bewaldete Berghänge, schroffe Abstürze, Wasserfälle und Meenhi, Wimlah und Gunnedoo, die „Three Sisters“, wahrscheinlich das meistfotografierte Motiv dieses ca. 200.000 ha großen Naturparks, der seit 2001 auch Welterbe der UNESCO ist.

Ich beende meine sechswöchige Australien – Rundreise mit einem Besuch bei Jann und Rob in Sydney, die ich auf Borneo kennengelernt habe und die mir ihre Stadt aus ihrem Blickwinkel noch einmal näherbrachten. Australien ist ein von der Sonne verwöhnter und geschundener Kontinent, der reich an Bodenschätzen und unendlich optimistischen Menschen ist. Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit zeichnen die Aussies aus, vor deren überschäumenden Energie kein Problem ungelöst bleibt. Hi mate – no worries, begleitet von einem kräftigen Schlag auf die Schulter. Gelegentlich wäre Passepartout etwas mehr Zurückhaltung, ob seiner Anciennität, lieber gewesen. „Et iss wie et iss“. Aber Australien ist auch ein giftiges Land, zu Land und zu Wasser. 6 der 10 giftigsten Tiere der Welt, kann man hier finden.


Jetzt geht es rüber, über den „ditch“, so wird die „Tasmanische See“ zwischen Australien und Neuseeland genannt, zu den Kiwis.




Jean Passepartout 

 

 

 

 

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